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Politik: Fast unter afghanischer Kontrolle Skandal-Gefängnis Bagram übergeben

Neu-Delhi - Foltervorwürfe, Isolationshaft und totgeprügelte Häftlinge – zwar hat das amerikanische Militärgefängnis Bagram in Afghanistan nie so traurige Berühmtheit erlangt wie Guantanamo Bay oder Abu Ghraib im Irak. Doch auch Bagram lieferte immer wieder Schlagzeilen.

Neu-Delhi - Foltervorwürfe, Isolationshaft und totgeprügelte Häftlinge – zwar hat das amerikanische Militärgefängnis Bagram in Afghanistan nie so traurige Berühmtheit erlangt wie Guantanamo Bay oder Abu Ghraib im Irak. Doch auch Bagram lieferte immer wieder Schlagzeilen. Es wird das „afghanische Guantanamo“ genannt, weil dort Insassen offenbar über Jahre in Gefangenschaft blieben, ohne dass je Anklage erhoben wurde. Berichte legen nahe, dass Folter verbreitet war. Dem Internationalen Roten Kreuz soll der Zugang zu vielen Häftlingen verweigert worden sein.

Nun haben die USA das Gefängnis 40 Kilometer nördlich Kabul offiziell an die afghanischen Behörden übergeben. Bei einer Zeremonie wurden knapp 3100 Gefangenen – es handelt sich um mutmaßliche Taliban-Kämpfer und Terrorverdächtige – am Montag an die afghanische Militärpolizei überstellt. Afghanistans Präsident Hamid Karsai pries die Übergabe der Haftanstalt Parwan, so der offizielle Name, als „Sieg für die Souveränität“ seines Landes. Die Zeremonie selbst war eher symbolischer Natur: Die meisten Gefangenen befanden sich bereits unter afghanischer Kontrolle.

Dennoch kann von einer völligen Übergabe noch keine Rede sein. Nach Informationen der „New York Times“ kam es darüber beinahe zum Zerwürfnis mit Karsai. So bestünden die Amerikaner darauf, auch in Zukunft eine ungenannte Zahl von Häftlingen selbst in einem gesonderten Gebäudeteil festzuhalten. Aktuell sollen es 50 Ausländer und 600 Afghanen sein, die nach dem 9. März inhaftiert wurden. Angeblich befürchten die USA, dass Kabul einige hochrangige Verdächtige laufen lässt – oder diese fliehen könnten.

Auch afghanische Kommentatoren äußerten Zweifel, ob Afghanistan die Verwahrung der Verdächtigen garantieren könne. Der amtierende Verteidigungsminister Enayatullah Nazari mühte sich, die Sorgen zu zerstreuen: „Unsere afghanischen Sicherheitskräfte sind gut ausgebildet.“ Karsai hatte am 9. März mit den USA vereinbart, dass Bagram sechs Monate später unter afghanische Kontrolle kommt. Er hatte kritisiert, es verletze die Souveränität Afghanistans, wenn die Amerikaner Afghanen gefangen hielten.

2010 hatte der britische Sender BBC neun ehemalige Häftlinge in Bagram interviewt, die berichteten, dass man sie in eiskalten Zellen gehalten und mit Schlafentzug gequält habe. Einige vermuten, dass auch die Pakistanerin Aafia Siddiqui über Jahre mit ihren drei kleinen Kindern dort festgehalten wurde. Später wurde sie in den USA zu lebenslanger Haft verurteilt, eines ihrer drei Kinder wird angeblich bis heute vermisst.

Bis zum geplanten Abzugstermin 2014 sollen alle Gefängnisse in afghanische Verantwortung gelegt werden. Bagram ist eine der größten Militärbasen der Nato-Truppen in Afghanistan. Anfang des Jahres hatten dort Soldaten bis zu hundert Koran-Ausgaben und religiöse Schriften verbrannt. Daraufhin gab es in Afghanistan tagelang gewalttätige Proteste mit zahlreichen Toten. Christine Möllhoff

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