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Politik: Faszinierendes Werden

Von Richard Schröder

Antje Vollmers letzter Trialog hat mich verwirrt. Brandenburg hat seinerzeit durch Zuwanderung aus Holland, Frankreich, Böhmen wirtschaftlich profitiert. Da hat Antje Vollmer Recht. Dass deshalb auch heute Brandenburg und den anderen östlichen Ländern durch möglichst viele Immigranten, die zudem geschlossen siedeln sollten, wirtschaftlich geholfen werden könnte, ist aber leider ein Irrtum. Damals nämlich gab es einen Überschuss an Arbeitsplätzen in Gestalt von unbestelltem Land, und Landwirtschaft war der Normalberuf.

Das ist vorbei. Hugenotten und Niederländer brachten unbekannte Technologien mit und schufen neue Arbeitplätze. Das ist von heutigen Immigranten eher selten zu erwarten. Ohne Arbeitsplatz werden sie Sozialhilfeempfänger. Und wenn sie dann noch Ghettos bilden, ist das nicht ein attraktives afrikanisches oder indisches Dorf in Mecklenburg, sondern eine soziale Problemzone.

Nein, Zuwanderung muss mit Integration verbunden sein, und das setzt Arbeitsplätze voraus. Deshalb muss Zuwanderung nach dem Bedarf an Arbeitskräften geregelt werden. Den gibt es ja. Aber er ist punktuell.

Wolfgang Schäubles letzter Trialog hat mich erfreut. Es stimmt: Unsere Probleme lassen sich mit einem vergleichsweise geringen Maß an Unannehmlichkeiten lösen. Und vor Ort sind sehr viele auch zu solchen Lösungen bereit. Im öffentlichen Diskurs allerdings werden die Probleme zum Katastrophenszenario stilisiert und die kleinen Unannehmlichkeiten zu Unzumutbarkeiten. „Weltschmerz“ ist im Englischen ein deutsches Lehnwort. Man hält das dort für typisch deutsch.

Nur scheinbar wechsle ich das Thema, wenn ich jetzt auf das Berliner Schloss zu sprechen komme. Der Wiederaufbau ist vom Bundestag beschlossen. Ein Verein will 80 Millionen aus privaten Spenden einwerben und davon die originale Außenfassade finanzieren. Die soll in Handarbeit entstehen. Das macht für eine Reihe von Jahren 800 Arbeitsplätze, privat finanziert. Notwendig wären dafür nur eine rechtsverbindliche Zusage, dass die historische Fassade jedenfalls wiederersteht, und die Genehmigung für eine vom Verein finanzierte Infobox am Rande des Schlossareals, in der die Schloss-Nutzung vorgestellt und gezeigt werden kann, wie die Sandsteinfassade Stück für Stück entsteht. Denn das würde als Attraktion in Berlin-Mitte Touristen anziehen und Spender motivieren.

Da haben wir also eine private Initiative, die privates Geld doppelt zu gemeinnützigen Zwecken verwenden will. Sie will eine nicht ganz geringe Zahl von Arbeitsplätzen schaffen und den Berlinern ihr Schloss zurückgeben. Aber bürokratische Einwände blockieren bis heute die zwei Vorbedingungen für den Start. Die Dresdner Frauenkirche ist fast fertig. Die dortigen Steinmetzen werden arbeitslos. Sie könnten in Berlin gleich weitermachen. Das Werden der Schlossfassade könnte ähnlich faszinierend werden wie das Werden der Frauenkirche.

Der Autor ist Professor für Theologie an der Humboldt Universität zu Berlin und schreibt den Trialog im Wechsel mit Antje Vollmer und Wolfgang Schäuble.

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