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Politik: FDP-Generalsekretär Guido Westerwelle über die CDU-Spendenaffäre und die Folgen für die Demokratie

Guido Westerwelle (37) ist seit 1994 Generalsekretär der FDP. Sein Verhältnis zu Helmut Kohl in der alten Regierungskoalition aus CDU/CSU und FDP galt als kritisch.

Guido Westerwelle (37) ist seit 1994 Generalsekretär der FDP. Sein Verhältnis zu Helmut Kohl in der alten Regierungskoalition aus CDU/CSU und FDP galt als kritisch. Mit Westerwelle, der in Bonn als Rechtsanwalt tätig ist, sprach Thomas Kröter.

Geht Ihnen durch die Spendenaffäre der CDU der Partner für eine Neuauflage der konservativ-liberalen Koalition verloren?

Das ist mal eine Frage - die kannte ich so rum noch nicht. In der Opposition gibt es keine Koalitionen. Die Spendenaffäre ist Anlass zur Sorge, nicht nur was das Ansehen einer Person angeht. Das betrifft das Ansehen der demokratischen Institutionen insgesamt.

Fürchten Sie, dass es auch Sie erwischt?

Die FDP hat wenig Geld in der Kasse. Aber dafür sind unsere Kassen transparent.

Von der Struktur des öffentlichen Vorurteils her ist Ihre Partei prädestiniert für eine Spendenaffäre. Warum macht sie einen so glaubwürdig unnervösen Eindruck?

Vermutlich, weil wir durch die Spendenaffären zu Beginn der 80er Jahre gebrannte Kinder sind. Aus der Erkenntnis der falschen Entwicklungen damals ist 1984 das Parteiengesetz geändert worden. Daran haben wir uns konsequent gehalten. Bei uns können alle Spendenvorgänge in den Rechenschaftsberichten nachgelesen werden. Insofern werden wir von dem einen oder anderen CDU-Wähler, der sich wegen dieser Affäre verärgert abwendet, als einzige bürgerliche Alternative angesehen.

Kennen Sie alle Konten der FDP?

Nein. Ich habe als Generalsekretär keine Konto-Vollmachten.

Kein Generalsekretärs-Konto?

Natürlich nicht. Ich muss jeden Beleg für Ausgaben im Amt abrechnen und vom Bundesgeschäftsführer oder vom Schatzmeister abzeichnen lassen.

Da alle Parteien Spenden bekommen, liegt es nahe, dass die Affäre der einen zu Fragen an die anderen Anlass gibt.

Parteien brauchen Spenden. Deshalb hat das Gesetz eine Veröffentlichungspflicht vorgesehen - übrigens nicht irgendein Gesetz. Im Grundgesetz, Artikel 21, heisst es über die Parteien: "Sie müssen über die Herkunft und Verwendung ihrer Mittel sowie über ihr Vermögen öffentlich Rechenschaft geben." Das ist eine Lehre aus der Entwicklung der Weimarer Republik und dem Nazi-Regime.

Ganz schön hoch aufgehängt.

Historisch richtig. Es handelt sich um ein demokratisches Abwehrrecht gegen undemokratische Strömungen. In der Weimarer Republik sind sie verdeckt finanziert worden. Das betrifft nicht die CDU von heute. Aber es darf niemand Präzedenzfälle schaffen. Jeder Bürger hat das Recht zu wissen, wer ab einer Summe von 20 000 Mark welche Partei finanziert. Ich möchte wissen, ob irgendwelche Superreichen rechts- oder linksradikale Parteien hochpäppeln. Ich möchte, dass das Parteiengesetz von keiner demokratischen Partei umgangen wird, auch damit keine undemokratischen Parteien sich auf eine solche Praxis berufen können.

Keine Formalie, über die man sich mal eben hinwegsetzen kann.

Wenn diese Veröffentlichungspflicht dramatisch umgangen wird, bewusst und vorsätzlich mit Millionenbeträgen - dann handelt es sich nicht um eine Petitesse.

Was dann? Betrug, Untreue?

Das sind strafrechtliche Kategorien. Die will ich als Rechtsanwalt hier nicht einführen. Ich kann keine abschließende juristische Würdigung vornehmen. Die Staatsanwaltschaften werden Vorermittlungen einleiten.

Sie werfen Helmut Kohl also einen Verstoß gegen das Grundgesetz vor?

Das ist kein Vorwurf. Das ist eine Feststellung. Wenn jemand Spenden sammelt und systematisch dafür sorgt, dass sie auf Konten kommen, die nicht im Rechenschaftsbericht einer Partei auftauchen, ist das ein eklatanter, drastischer Verstoß gegen Artikel 21 des Grundgesetzes.

Wie erklären Sie sich, dass Helmut Kohl kein Unrechtsbewusstsein hat?

Wegen meines großen Respektes verbiete ich mir, Helmut Kohls Integrität in irgendeiner Form in Zweifel zu ziehen. Ich stelle nur fest: Wenn Spenden in Millionenhöhe nicht im Rechenschaftsbericht einer Partei auftauchen, ist das keine zu vernachlässigende Kleinigkeit "zum Wohl von Partei und Vaterland".

Ist das eine Tragödie?

Mit Sicherheit. Und zwar nicht nur für eine Person oder eine Partei. Es ist eine Tragödie für das Ansehen der demokratischen Institutionen. Ich merke das doch, wenn ich unterwegs bin. Ich werde darauf angesprochen: Na, wenn Ihr das oben so macht, dann können wir das hier unten auch.

Kohl hat den Erhalt von verdeckten Spenden zugegeben. Aber er will mit den Namen der Spender nicht heraus. Kann es dabei bleiben?

Ich befürchte, der Untersuchungsausschuss des Bundestages wird darauf bestehen müssen, die Namen der Spender zu erfahren, um etwaige unzulässige Einflüsse auf politische Entscheidungen aufzuklären. Das Verschweigen der Namen ist rechtswidrig. Helmut Kohl sollte sich von seinem Wort an die Spender, er werde ihre Namen nicht nennen, von diesen entbinden lassen. Sonst wird es für ihn vor dem Untersuchungsausschuss ernst.

Sind sie mit Wolfgang Schäubles Aufklärungsbemühungen zufrieden?

So weit ich das beurteilen kann, bemühen sich Wolfgang Schäuble und Angela Merkel nach besten Kräften. Bei den heutigen Regierungsparteien SPD und Grünen ist dieses Aufklärungsbemühen nicht vorhanden. Sie haben es undemokratischerweise nicht zugelassen, dass der Untersuchungsausschuss des Bundestages die Finanzierungspraxis aller Parteien mit gleichem Eifer untersucht. Die bayerische SPD-Landesvorsitzende Renate Schmidt hat mir schriftlich bestätigt, dass sie von dem Waffenhändler Schreiber, der in dieser Affäre ja keine unbedeutende Rolle spielt, auf einer Flugreise einen Umschlag mit 5000 Mark in bar erhalten hat. Das ist nicht ehrenrührig. Es wurde nach ihren Angaben ordnungsgemäß verbucht. Aber es zeigt, dass dieser Mann auch Interesse an der Pflege seiner Beziehungen zur damaligen Opposition hatte. Das wird gedeckt vom Vermerk des damaligen Staatssekretärs Pfahls, in dem von "maßgeblichen Kräften im Parlament" die Rede ist, die auf dieses und jenes hingewirkt hätten. Wer sich in der Politik auskennt, weiß: Mit diesem Begriff sind nicht nur Regierungsfraktionen gemeint.

Sie haben vom Kollateralschaden für das gesamte demokratische System gesprochen. Durch die Vorwürfe wegen Flügen und eines Festes, die von einer Bank bezahlt wurden, ist auch der Bundespräsident durch sein Vorleben als Ministerpräsident betroffen. Was erwarten Sie von Johannes Rau?

Damit aus dieser Flugaffäre keine Glogowski-ähnliche Affäre wird, bei der der niedersächsische Ministerpräsident zurücktreten musste, ist es nötig, dass alle Beteiligten sich anders verhalten als Glogowski das getan hat - leugnen und verschleiern. Die Unterstützung eines offiziellen Geburtstagsempfangs des Ministerpräsidenten Rau durch private Sponsoren halte ich nicht für problematisch, zumal dem Steuerzahler so Geld gespart wird. Aber von denen, die hier möglicherweise privat von Flügen profitiert haben, erwarte ich ohne Ansehen der Person und ihres Amtes volle Aufklärung. Das ist ein ernster Vorgang. Trotzdem muss klar bleiben: Das ist eine andere Dimension als der systematische Verstoß gegen Parteien- und Grundgesetz.

Ist es vorstellbar, dass ein amtierender Bundespräsident vor einem Untersuchungsausschuss eines Landtags, nämlich dem in Düsseldorf, aussagt?

Ja, das ist vorstellbar. Aber ich habe die Hoffnung, dass dies durch Mitwirkung aller Beteiligten verhindert werden kann. Aber wegen der Verschleierungsbemühungen von SPD und Grünen in Düsseldorf wächst sich das ganze zu einer Affäre aus. Ich bin sicher, dass der Bundespräsident alle Möglichkeiten wahrnehmen wird, auch durch Einwirkung auf die Landesregierung, dass nicht verschleiert, sondern aufgeklärt wird und sich die Vorwürfe hoffentlich in Wohlgefallen auflösen.

Andernfalls muss der Bundespräsident vor den Ausschuss.

Wir leben in einer Republik.

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