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Ein bisschen Widerstand. Wenige Australier protestierten gegen die Regelung. Foto: AFP

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Politik: Festung Australien

Die Regierung will alle Flüchtlinge nach Papua-Neuguinea abschieben – doch Proteste gegen die Verschärfung des Asylrechts gibt es kaum.

Berlin - Sie leben dicht gedrängt in überhitzten Zelten und Containern, mit wenig Zugang zu medizinischer Versorgung oder Rechtsberatung: 200 Männer, Frauen und Kinder sind derzeit im Flüchtlingslager der winzigen, zu Papua-Neuguinea gehörenden Insel Manus Island untergebracht – und in Zukunft werden es wohl deutlich mehr werden.

Denn Australien will alle Flüchtlinge, die per Boot ins Land gelangen wollen, nach Manus Island abschieben. Ihre Asylanträge soll dann Papua-Neuguinea behandeln. Das verkündete vergangene Woche Kevin Rudd, Chef der Labour Party und australischer Premierminister.

Die australische Bischofskonferenz und diverse Menschenrechtsorganisationen verurteilten die Entscheidung als Bruch der UN-Flüchtlingskonvention. Doch dass die Proteste Rudd zum Umdenken bewegen, ist unwahrscheinlich. Denn im Herbst wird in Australien ein neues Parlament gewählt, und bei großen Teilen der Bevölkerung kommt Härte gegenüber Asylbewerbern gut an.

So gab es zwar Demonstrationen gegen Rudds Entscheidung, aber selbst in den Metropolen Sydney und Melbourne nahmen nur wenige hundert Menschen teil. Und der konservative Oppositionsführer Tony Abbott kritisierte die neue Regelung nicht als zu hart, sondern als noch nicht streng genug.

Australien verfolgt seit langem eine extrem scharfe Asylpolitik. Schon seit 1992 gilt in dem Land, das sonst viel Wert auf sein tolerantes, multikulturelles Image legt, die „mandatory detention policy“. Man könnte den Begriff als „verpflichtende Internierung“ übersetzen, gemeint ist damit: Jeder Asylbewerber, der ohne Visum in Australien ankommt – das betrifft vor allem Bootsflüchtlinge aus Sri Lanka, dem Iran oder Afghanistan – wird in einem Lager festgehalten, bis sein Asylantrag bearbeitet ist. Das kann Monate, mitunter auch Jahre dauern.

8521 Menschen waren Ende Mai in den diversen Anhaltelagern Australiens interniert, darunter 1731 Kinder; manche lebten seit mehr als zwei Jahren im Lager. Einige dieser Lager liegen, mit Stacheldraht umzäunt, mitten im Outback, viele hundert Kilometer von der nächsten Stadt entfernt. Immer wieder kommt es dort, wie zuletzt am vergangenen Samstag, zu Aufständen. Hungerstreiks, Selbstverletzungen und Suizide sind fast alltäglich, auch bei Kindern. Im Jahr 2011 registrierten die Behörden alleine im Bundesstaat Northern Territory 23 Selbstverletzungen von Minderjährigen.

Trotzdem ist die „mandatory detention“ in der australischen Politik unumstritten. Eingeführt hat sie die konservative Liberal Party, aber Labour will um nichts nachstehen. Julia Gillard etwa, die Rudd 2010 aus seinen Ämtern geputscht hatte und nun wieder von ihm abgelöst wurde, wollte Asylbewerber nach Malaysia abschieben, obwohl das südostasiatische Land die Genfer Flüchtlingskonvention nie unterschrieben hat. Das Oberste Gericht kippte den Plan.

Der Grund für all das ist Abschreckung. Immer wieder sterben Flüchtlinge, weil die klapprigen Boote sinken, mit denen sie von Malaysia oder Indonesien nach Australien übersetzen wollen. Die harte Asylpolitik soll sie von der Flucht nach Australien abbringen.

Premierminister Rudd verspricht Papua-Neuguinea nun im Gegenzug für die Aufnahme sämtlicher Flüchtlinge großzügige Hilfszahlungen. Allerdings ist der Staat wirtschaftlich so stark von seinem mit Abstand wichtigsten Handelspartner Australien abhängig, dass er sich Widerstand gegen Rudds Pläne sowieso kaum leisten könnte.Ruth Eisenreich

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