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Filbinger-Rede: Oettinger gibt klein bei

Im Streit um seine Trauerrede für den verstorben früheren Ministerpräsidenten Filbinger hat sich Günther Oettinger von seinen eigenen Äußerungen distanziert. Die Entschuldigung müsse nun angenommen werden, forderte Kanzlerin Merkel.

Berlin - Nach wachsendem Druck aus allen politischen Lagern hat der baden-württembergische Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU) seine umstrittene Äußerung zurückgenommen, der frühere NS-Marinerichter Hans Filbinger sei ein Gegner des Nazi-Regimes gewesen. "Ich halte meine Formulierung nicht aufrecht", sagte der Stuttgarter Regierungschef in Berlin. CDU-Chefin Angela Merkel gab ihm erstmals in der Affäre Rückendeckung und forderte, die bereits vorher von Oettinger geäußerte Entschuldigung müsse angenommen werden. Zuvor hatte SPD-Generalsekretär Hubertus Heil deutlich gemacht, dass seine Partei die Entschuldigung nicht für ausreichend halte.

Oettinger hatte nach seiner umstrittenen Trauerrede für seinen Amtsvorgänger Filbinger eine geplante Italien-Reise kurzfristig abgesagt, um stattdessen an der Präsidiumssitzung der CDU in Berlin teilzunehmen. Merkel sagte schon vor der Sitzung, Oettinger habe mit seiner Entschuldigung "einen wichtigen und auch notwendigen Schritt getan". Jetzt erwarte sie, "dass die Entschuldigung auch gehört wird." Mit der Entschuldigung sei "das geschehen, was mir besonders am Herzen liegt, dass wir, wenn wir über die NS-Zeit sprechen, die Perspektive der Opfer und Verfolgten im Blick haben." Merkel nahm als CDU-Chefin Stellung, eine Bewertung als Kanzlerin lehnte sie ab.

Oettinger: Es ist alles gesagt

Oettinger war nach seiner Trauerrede für den am 1. April verstorbenen Filbinger auch von Merkel gerügt worden. Zu seiner Aussage, Filbinger sei ein Gegner des Nazi-Regimes gewesen, sagte er vor der CDU-Sitzung: "Ich distanziere mich davon und glaube, dass damit alles gesagt worden ist." Thüringens Ministerpräsident Dieter Althaus (CDU) erklärte dazu, Oettinger habe nun für Klarheit gesorgt. In einem am Samstag veröffentlichten offenen Brief hatte der baden-württembergische Ministerpräsident zunächst erklärt, soweit Missverständnisse entstanden seien, bedauere er dies. Der "Bild"-Zeitung sagte er schließlich, er habe nie die NS-Verfolgten verletzen wollen. "Sollte das geschehen sein, tut es mir leid. Und dafür entschuldige ich mich auch."

SPD-Generalsekretär Heil warf Oettinger vor, er habe sich mit seinen Äußerungen über Filbinger offenbar am rechten Rand bemerkbar machen wollen. Der SPD-Politiker sprach von einem "bewussten Akt, um sich im rechtskonservativen Spektrum zu tummeln". An die Adresse des Koalitionspartners sagte er: "Wir fordern die CDU-Führung insgesamt auf, diese Sache zu klären." Der SPD-Bundestagsabgeordnete Klaus-Uwe Benneter sagte im RBB, es sei "unerträglich", wie der CDU-Politiker auf die Kritik an der umstrittenen Trauerrede reagiert habe.

Kramer: Oettinger hat Widerstand "pervertiert"

Der Generalsekretär des Zentralrates der Juden in Deutschland, Stephan Kramer, sagte im Bayerischen Rundfunk, die Entschuldigung Oettingers sei "natürlich nur ein erster Schritt". Durch das "Hin und Her und durch das immer wieder Bekräftigen des Ministerpräsidenten" sei ein Schaden entstanden, der mit einer Entschuldigung allein nicht mehr zu beheben sei. Oettinger habe mit seiner Rehabilitation für Filbinger den deutschen NS-Widerstand "pervertiert".

Grünen-Fraktionschef Fritz Kuhn warf der baden-württembergischen CDU im SWR vor, auch 30 Jahre nach Filbingers Rücktritt als Ministerpräsident "überhaupt nichts" von den damaligen Vorgängen aufgearbeitet zu haben. Die baden-württembergische FDP-Landesvorsitzende Birgit Homburger begrüßte im WDR zwar Oettingers Entschuldigung, forderte aber die CDU auf, die mit der NS-Zeit zusammenhängenden Fragen "endlich intern aufzuarbeiten". Die Linksfraktion kündigte eine kleine Anfrage zu Oettinger im Bundestag an.

In Berlin wurde ein für Dienstag geplanter Gedenkgottesdienst für Filbinger abgesagt. Der Berliner Erzbischof Georg Kardinal Sterzinsky wolle Missverständnisse vermeiden, wie ein Sprecher des Bistums mitteilte. In der Andacht hatte Prälat Wolfgang Knauft daran erinnern wollen, dass Filbinger in seiner Funktion als NS-Marinerichter den Berliner Priester Karl Heinz Möbius vor der Vollstreckung eines Todesurteils bewahrt habe. (tso/AFP)

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