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Finanzkrise: Kündigungen für viele Firmen vorerst kein Thema

Eine Verpflichtung, keine Arbeitsplätze abzubauen, wollen sie nicht unterschreiben. Viele Unternehmen aber rechnen vorerst nicht mit betriebsbedingten Kündigungen - die meisten Verträge lassen das gar nicht zu. Für Zeitarbeiter sieht es trotzdem düster aus.

Für viele große Unternehmen sind betriebsbedingte Kündigungen trotz Wirtschaftskrise derzeit kein Thema. Eine grundsätzliche Selbstverpflichtung, darauf zu verzichten, lehnen sie jedoch zumeist ab. Einen Tag nach dem Spitzentreffen von Politik und Wirtschaft im Kanzleramt hieß es aus mehreren Firmen, dass ihre Beschäftigten momentan keine betriebsbedingten Kündigungen fürchten müssten. Bei dem Krisentreffen hatten Wirtschaftsvertreter eine Art Selbstverpflichtung der Industrie vorgeschlagen, trotz der schweren Rezession 2009 darauf zu verzichten.

Bei vielen deutschen Unternehmen allerdings sind betriebsbedingte Kündigungen derzeit wegen der geltenden Tarifverträge ohnehin ausgeschlossen. Beim Autobauer VW in Wolfsburg etwa sieht der Tarifvertrag bis Ende 2011 vor, dass keine betriebsbedingten Kündigungen ausgesprochen werden können, sagte ein Sprecher. Im Gegensatz zu vielen Unternehmen der Branche plane VW derzeit auch keine Kurzarbeit. Weitere Maßnahmen seien "derzeit nicht notwendig, aber auch nicht auszuschließen".

Ähnlich sieht es beim Autokonzern BMW aus. Die Münchner sehen sich nach Angaben eines Sprechers nicht von einer "möglichen Selbstverpflichtung" betroffen, da die Beschäftigung der Stammbelegschaft bis 2014 gesichert sei. Allerdings hat BMW bei Zeitarbeitern bereits tausende Arbeitsplätze gestrichen. Auch die Arbeitsplätze der Stammbelegschaft des Lastwagenbauers Man sind durch Verträge gesichert. Dasselbe gilt für die Deutsche Bahn. Der Tarifvertrag schützt rund 150.000 Mitarbeiter bis Ende 2010 vor betriebsbedingten Kündigungen.

Ford bittet nicht um Hilfe

Die Ford-Werke in Köln hatten in Deutschland bereits eine Beschäftigungsgarantie bis zum Frühjahr 2011 gegeben. Die Verträge von rund 500 Leiharbeitern am Kölner Standort sollen aber nicht verlängert werden, sagte ein Sprecher. "Um finanzielle Hilfen werden wir weiter nicht bitten, schließlich machen wir europaweit Gewinn."

Der nordhessische Medizintechnikhersteller B. Braun Melsungen will seine gut 10.000 Arbeitsplätze in Deutschland mindestens bis zum Jahr 2014 sichern. "Insofern ist eine Selbstverpflichtung, wie auf dem Gipfel bei der Kanzlerin besprochen, für uns kein Thema", sagte eine Unternehmenssprecherin. Der zur Verlängerung anstehende Standortsicherungsvertrag sieht als Gegenleistung 520 unbezahlte Mehrarbeitsstunden pro Mitarbeiter in den fünf Jahren Laufzeit vor. Auch eine Gewinnbeteiligung der Mitarbeiter sei in dem Papier festgeschrieben.

Mehrere Unternehmen ohne solche tariflichen Bindungen gaben an, dass betriebsbedingte Kündigungen das letzte Mittel seien und bleiben müssten. Der Autozulieferer Continental in Hannover teilte mit, betriebsbedingte Kündigungen seien aktuell nicht in Planung, allerdings könne man sie nicht vollständig ausschließen. Beim weltgrößten Autozulieferer Bosch sind nach Angaben einer Unternehmenssprecherin in den vergangenen Monaten befristete Verträge in der Regel nicht verlängert worden. Bisher habe es aber keine betriebsbedingten Kündigungen gegeben. Stattdessen seien Stundenkonten abgebaut oder die Weihnachtspause verlängert worden. An einigen Standorten musste Kurzarbeit eingeführt werden.

Stellenabbau, so sozialverträglich wie möglich

Beim Kölner Motorenbauer Deutz, der im dritten Quartal deutliche Rückgänge verzeichnete, will man sich nicht auf Versprechungen einlassen. "Natürlich besteht Konsens, dass wir so wenig Stellen wie möglich streichen und Entlassungenen möglichst vermeiden wollen", hieß es. Deutz könne aber in der derzeit schwierigen und unsicheren Lage keine Versprechungen oder Zusagen machen. Das Unternehmen versuche, den geplanten Stellenabbau so sozialverträglich wie möglich zu gestalten und sei mit dem Betriebsrat derzeit in Verhandlungen. Nach Angaben vom November will sich der Motorenbauer möglicherweise von allen 250 Leiharbeitern und 460 befristet Beschäftigten trennen.

Viele Unternehmen in Deutschland sehen sich trotz der täglichen Hiobsbotschaften noch nicht von der Krise betroffen. Die Deutsche Lufthansa AG mit ihren rund 100.000 Beschäftigten etwa gibt an, sie sei in ihrem zyklischen Geschäft gut aufgestellt, um mit den starken Nachfrageschwankungen zurecht zu kommen. 20 bis 30 Instrumente stünden zur Verfügung, um das Personal flexibel einzusetzen, erklärte ein Firmensprecher in Frankfurt. Aktuell gebe es zwar einen Einstellungsstopp in fast allen Bereichen, betriebsbedingte Kündigungen seien aber nicht geplant. Eine umfassende Selbstverpflichtung der deutschen Industrie sei kein Thema.

Ein Sprecher von Bombardier Transportation im brandenburgischen Hennigsdorf sagte, dank einer guten Auftragslage stünden betriebsbedingte Kündigungen nicht zur Debatte. Das Unternehmen ist nach eigenen Angaben Weltmarktführer bei Schienenverkehrstechnologie und hat in Deutschland 8500 Beschäftigte. Die Deutsche Bank, deren Vorstandsvorsitzender Josef Ackermann an der Merkel-Runde teilgenommen habe, lehnte eine Stellungnahme zum jetzigen Zeitpunkt ab. (mpr/dpa)

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