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Fall Al Masri: Fischer bestreitet Vorwürfe

Ex-Außenminister Joschka Fischer hat Spekulationen zurückgewiesen, die rot-grüne Regierung habe früher von der Entführung Al Masris erfahren als bislang bekannt.

Berlin - Er habe erst im Juni 2004 und damit nach der Freilassung des Deutsch-Libanesen von der Affäre erfahren, sagte Fischer (Grüne) vor dem BND-Untersuchungsausschuss des Bundestages. Anlass sei ein Beschwerdeschreiben von Al Masris Anwalt an das Auswärtige Amt gewesen. Fischer bezeichnete die Verschleppung als "gravierenden Vorgang". Er habe nach Eingang des Anwaltsschreibens unverzüglich angeordnet, das Bundeskanzleramt zu informieren. Im Auswärtigen Amt sei die Entführung aber nicht mehr als konsularischer Fall bewertet worden, da sich Al Masri bereits wieder im Inland befunden habe. Es sei daher die "sachgerechte Entscheidung" getroffen worden, die Aufklärung den Sicherheitsbehörden unter Führung von Kanzleramt und Innenministerium zu übertragen.

Im Mittelpunkt des Untersuchungsausschusses stand der Fall Khaled al Masri. Der Deutsch-Libanese war Anfang 2004 vom US-Geheimdienst CIA nach Afghanistan verschleppt und dort mehrere Monate wegen Terrorverdachts festgehalten worden. Die Koalition wollte die Affäre mit der Vernehmung von Ex-Außenminister Joschka Fischer (Grüne) und dem ehemaligen Kanzleramtschef Frank-Walter Steinmeier (SPD) abschließend behandeln. Der Ausschussvorsitzende Siegfried Kauder (CDU) bezeichnete den Erkenntnisstand als "schon recht abgerundet". Überraschungen seien nicht mehr zu erwarten. Die Opposition sah dagegen weiteren Aufklärungsbedarf.

Grund sind insbesondere neue Vorwürfe gegen die damalige rot-grüne Bundesregierung. Wie die "Berliner Zeitung" berichtet, wurde Steinmeier bereits Mitte Januar 2005 und damit früher als bislang offiziell bekannt durch US-Geheimdienstkreise über die Inhaftierung Al Masris informiert. Diese Information habe er jedoch weder an die Strafverfolgungsbehörden in Deutschland noch an die Abgeordneten im geheim tagenden Parlamentarischen Kontrollgremium weitergeben.

Ströbele droht Steinmeier

Grünen-Obmann Christian Ströbele sagte, es gebe ganz erhebliche Beweisanzeichen dafür, dass Steinmeier die Verantwortung dafür trage, dass das Parlament seinerzeit falsch informiert worden sei. Falls dies zutreffe, müsse dies für Steinmeier als Amtsträger in der jetzigen Bundesregierung "Konsequenzen" haben.

SPD-Obmann Thomas Oppermann betonte dagegen, die Informationen, die Steinmeier dem Zeitungsbericht zufolge angeblich erhielt, seien "nicht wirklich spannend". Wenn überhaupt habe es sich um Geheimdienstsachen gehandelt, die weder belastbare noch verwertbare Informationen seien. Im November war bereits Ex-Innenminister Otto Schily (SPD) vom Ausschuss befragt worden, der jegliche Verstrickung der damaligen Bundesregierung in den Fall zurückwies. Schily gab an, erst Ende Mai 2004 vom damaligen US-Botschafter Daniel Coats über die Verschleppung Al Masris informiert worden zu sein. Auf Bitten der Amerikaner wurde damals Stillschweigen über den Fall vereinbart, auch Kabinettsmitglieder informierte der Innenminister eigenen Angaben zufolge nicht. Die Öffentlichkeit erfuhr erst Anfang 2005 durch US-Zeitungsberichte von der Affäre.

Ex-BND-Chef angehört

Zunächst wurde der ehemalige Vizepräsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV), Klaus-Dieter Fritsche gehört. Fritsche, heute Geheimdienst-Koordinator im Bundeskanzleramt, wies Spekulationen über eine vorzeitige Kenntnis vom Fall Al Masri zurück. Er habe erst nach dessen Freilassung im Juni 2004 bei einer Lagebesprechung im Kanzleramt von der Entführung erfahren. Die Oppositionsparteien bekräftigten unterdessen ihre Kritik, ihr würden bei der Aufklärungsarbeit wichtige Akten von der Regierung vorenthalten. Linkspartei-Obmann Wolfgang Neskovic sagte, mit einer Klage vor dem Bundesverfassungsgericht werde man den Aufklärungsanspruch durchsetzen. (tso/ddp)

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