zum Hauptinhalt
Einige konnten gerettet werden, doch mindesten 25 Flüchtlingen starben auch.

© dpa

Flüchtlingsdrama vor Libyen: Die EU hat keinen Plan

Wieder ist im Mittelmeer ein Boot mit hunderten Flüchtlingen gekentert. Die Tragödie zeigt, wie hilflos und unentschlossen die EU handelt.

Die Katastrophe vom April hat Europa wachgerüttelt. Dieses Bild zumindest wollten die Staats- und Regierungschefs vermitteln, als sie nach dem Tod von etwa 1000 Flüchtlingen innerhalb weniger Tage auf dem Mittelmeer eilig zu einem Sondergipfel in Brüssel zusammenkamen. Mit einem Aktionsplan wollte man Stärke in der Krise beweisen. Und dennoch: Wieder ist in diesen Tagen ein überfülltes Flüchtlingsboot gekentert – etwa 30 Seemeilen von der libyschen Küste entfernt. Wie viele Menschen dabei ihren Tod fanden, ist immer noch unklar. Ärzte ohne Grenzen prangerte das „Fehlen adäquater Such- und Rettungsoperationen in dem Gebiet“ an. Damit gerät die von der EU-Grenzschutzbehörde Frontex geführte Mission Triton erneut in Kritik.

Zwar hat sich seither einiges getan. Die 28 EU-Mitgliedsstaaten haben mehr finanzielle Mittel sowie zusätzliche Schiffe für Triton bereitgestellt. Doch selbst mit 17 Patrouillenschiffen, vier Flugzeugen und zwei Helikoptern kann die Mission kaum das gesamte 2,5 Millionen Quadratkilometer große Meer abdecken. Immerhin dürfen die Schiffe jetzt weiter fahren als bis zur ursprünglichen 30-Meilen- Grenze von der Küste. Bis zu 138 Seemeilen (250 Kilometer) weit – und damit auf internationalen Gewässern– sollten die Suchtrupps vorstoßen. Ob die Triton-Schiffe zu einer Rettungsmission gerufen werden, entscheidet die italienische Küstenwache.

Nach internationalem Seerecht ist jedes von ihr angerufene Schiff dann zur Seenotrettung verpflichtet. Ein Drittel der in diesem Jahr geretteten Flüchtlinge verdanken ihr Leben einem der von Triton geführten Schiffe. Die große Mehrheit wird also von anderen vor dem Ertrinken gerettet. Im aktuellen Fall nahm ein Marineschiff unter irischer Flagge die Flüchtlinge auf, die sich nach dem Kentern des hoffnungslos überfüllten Bootes noch lange genug über Wasser halten konnten. Die beiden deutschen Marineschiffe, die sich derzeit an der Seenotrettung im Mittelmeer beteiligen, wurden nach Auskunft des Verteidigungsministeriums nicht zu Hilfe gerufen.

Tausende - jeden Tag

Zwar ist die Zahl derer, die im Mittelmeer starben, seit der Verstärkung von Triton zurückgegangen. Doch dass die bisher unternommenen Schritte den Tod weiterer Menschen nicht verhindern konnten, verwundert kaum. Täglich machen sich tausende Flüchtlinge auf die lebensgefährliche Reise. Die geplanten Aktionen der EU, wie etwa die stärkere Unterstützung beim Grenzschutz in den nordafrikanischen Ländern, wirken da bestenfalls wie gut gemeinte Ansätze. Die Ursachen für die Flucht aber beheben sie nicht. Über sie wird noch viel zu wenig nachgedacht. Stattdessen soll eine Marineoperation, die nach dem Willen der EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini potenzielle Schlepperboote ausfindig macht und zerstört, die neue Waffe im Kampf gegen den Flüchtlingsstrom nach Europa werden. Doch bei dieser „Neutralisierung“ dieser Boote wollen längst nicht alle Staaten mitmachen. Dafür wäre ohnehin ein UN-Mandat nötig.

Kritiker warnen schon jetzt vor den Risiken. Nicht einmal über den Umgang mit denen, die bereits gekommen sind, kann man sich einigen. Die verpflichtende Verteilquote blieb ein ambitionierter Traum des Kommissionspräsidenten Jean- Claude Juncker. Die freiwillige Quote, auf die man sich stattdessen einigte, ist bestenfalls eine minimale Verbesserung des Status quo. Denn jene Länder, die ohnehin die meisten Flüchtlinge aufnehmen, stehen auch jetzt wieder in erster Reihe. Am eigentlichen Problem, der Dublin-II-Regel, wird indes nicht gerüttelt. Sie verpflichtet das Land, über das die Flüchtlinge zuerst nach Europa gekommen sind, im Falle eines berechtigen Asylantrags zur Aufnahme.

Mirjam Moll

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false