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Zwei Teilnehmer des Projektes PIA (Pakt für Integration und Arbeit) für Flüchtlinge in einer Metallbau-Werkstatt in Miesbach (Bayern).

© dpa

Flüchtlingspolitik und Erwerbsarbeit: Arbeit schafft Zusammengehörigkeit

Wenn jetzt nicht für Flüchtlinge auf Teufel komm raus Arbeit vermittelt wird, wann dann? Freie Stellen und Jobs gibt es derzeit in Hülle und Fülle. Das ist eine einmalige Gelegenheit. Ein Kommentar

Ein Kommentar von Barbara John

Ein Sprichwort, ein ziemlich verstaubtes, lautet: „Arbeit hält Laster, Langeweile und Armut fern.“ Wie genau das heute noch die Lebenslage Erwerbstätiger trifft, mag jeder selbst beurteilen. Welchen hohen gesellschaftlichen Wert aber die Arbeit im modernen Sozialstaat hat, das lernen wir gerade durch die massenhafte Einwanderung von EU-Arbeitssuchenden und von Flüchtlingen. Denn wer erwerbstätig ist, der gehört dazu, so das Ergebnis einer repräsentativen Befragung des Sachverständigenrates deutscher Stiftungen (Jahresgutachten 2016). Diesem Kriterium stimmen 90 Prozent aller befragten Gruppen zu, mit und ohne Migrationshintergrund. Ein sensationelles Ergebnis, weil es vermeintlich wichtigere Kriterien wie Nationalität, Religion, deutsche Staatsangehörigkeit, Geburt in Deutschland radikal abhängt.

Warum das so ist? Weil unser Sozialstaat eigentlich Sozialgesellschaft heißen müsste, denn er wird getragen von Millionen Erwerbstätigen, die von jedem verdienten Euro in die Sozialkassen einzahlen. Der Staat verteilt nur die Beiträge, er erzeugt sie nicht. Wer aber arbeitet, beteiligt sich daran und wird dafür belohnt mit Anerkennung, unabhängig davon, woher er kommt. Das stärkt Zusammenhalt. Im ungezähmten Kapitalismus ohne soziale Leistungen beutet man dagegen Arbeitssuchende aus. Die Sozialkassen bleiben leer.

Zugehörigkeit durch Arbeit fördern ist aber auch eine harte Nuss für die Politik, weil Arbeitsplätze keine Konsumartikel sind, die man herstellen und verbrauchen kann. Arbeitsplätze müssen ausgefüllt werden, das bedeutet, (fast) alles muss passen. Beispielsweise Angebot und Nachfrage, wie auch die Voraussetzungen bei Arbeitswilligen und Anbietern: Qualifikation, Motivation, Risikobereitschaft.

Doch wenn jetzt nicht auf Teufel komm raus Arbeit vermittelt wird, wann dann? Freie Stellen und Jobs gibt es derzeit in Hülle und Fülle. Das ist eine einmalige Gelegenheit, Flüchtlinge in Erwerbsarbeit zu bringen und so das Zugehörigkeitsgefühl zu stärken, auf beiden Seiten. Doch was bisher geschafft wurde, ist wenig, und das hängt nicht nur mit geringen Deutschkenntnissen zusammen, sondern auch mit unflexibler Vermittlungspraxis und fehlenden Anreizen.

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