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Politik: Föderalismus als Perspektive, Suhartos Seilschaften entmachtet - das neue Kabinett scheint um Frieden bemüht

Im Kabinett des neuen indonesischen Präsidenten Abdurrahman Wahid haben die alten Vertrauten der Ex-Präsidenten Jusuf Habibie und Suharto ihre Ämter verloren. Außerdem wird der bisher starke Einfluss der Streitkräfte zurückgedrängt.

Im Kabinett des neuen indonesischen Präsidenten Abdurrahman Wahid haben die alten Vertrauten der Ex-Präsidenten Jusuf Habibie und Suharto ihre Ämter verloren. Außerdem wird der bisher starke Einfluss der Streitkräfte zurückgedrängt. Auch soll die ethnische Vielfalt des Landes im neuen Kabinett stärker repräsentiert werden.

Nach der am Dienstag von Vize-Präsidentin Megawati Sukarnoputri vorgestellten Kabinettsliste büßte der bisherige Armeechef General Wiranto seinen Posten als Verteidigungsminister ein. Auch sein Amt als Armeechef muss Wiranto demnach abgeben. Allerdings wurde er erneut ins Kabinett berufen und zum koordinierenden Minister für Sicherheit und politische Angelegenheiten ernannt. Neuer Verteidigungsminister wird der Liste zufolge erstmals in der indonesischen Geschichte ein Zivilist, Juwono Sudarsono. Neuer Armeechef wird Wirantos bisheriger Stellvertreter, Admiral Widodo.

Zum neuen Außenminister der Regierung wurde Alwi Sihab berufen, der stellvertretende Vorsitzende von Wahids gemäßigter Moslempartei Nationales Erwachen. Sihab ist ein Islam-Kenner und unterrichtete an der US-Universität Harvard. Zum koordinierenden Minister für Wirtschaft und Finanzen wurde ein Vertrauter von Vize-Präsidentin Megawati ernannt, der chinesisch-stämmige Kwiek Kian Gie.

Präsident Wahid brach vor einigen Tagen ein Tabu, als er von einem föderalen Staat Indonesien sprach. Zwar rechne er mit einer Übergangszeit von rund 20 Jahren, aber der Ball müsse jetzt ins Rollen gebracht werden, sagte er. Die Autonomiefrage könnte zum Testfall der neuen Regierung werden, denn ohne regionale Selbstbestimmung wird es keine politische Stabilität geben.

Das riesige Reich aus 13 000 Inseln und mit 200 Millionen Einwohnern wurde bisher streng zentralistisch geführt, trotz enormer ethnischer, kultureller und sprachlicher Unterschiede. Indonesien werde jedoch in Zukunft nicht in der Lage sein, seine Einheit zu bewahren, wenn es der extremen Vielfalt der Bevölkerung und deren Wunsch nach eigener Identität nicht Beachtung schenke, betont Dewi Fortuna Anwar, Forscherin am Indonesischen Institut der Wissenschaften und Beraterin von Ex-Präsident Habibie.

Zentralismus und javanische Arroganz hätten seit der Unabhängigkeit im Jahre 1945 das Verhältnis von Regierung und Regionen geprägt, so Dewi. Der mangelnde Wille Jakartas, regionale Bedürfnisse und Besonderheiten zu respektieren, habe zu einer wachsenden Entfremdung und Wut auf die dominante Rolle Javas geführt. Besonders angespannt war das Verhältnis zu den Provinzen Ost-Timor, Molukken, Irian Jaya und Aceh, wo Autonomiebestrebungen mit Gewalt und Terror unterdrückt wurden.

Auf den Molukken, wo es seit Januar diesen Jahres immer wieder zu blutigen Zusammenstößen zwischen Christen und Muslimen kam, begrüßten Politiker und Religionsführer die Pläne der neuen Regierung zu mehr Eigenständigkeit. Wahid und Megawati seien von der Bevölkerung akzeptiert, sagte der Bischof der Hauptstadt Ambon und fügte hinzu, dass beide von Gott gesegnete Figuren für die christliche Gemeinde auf der Inselgruppe seien. Präsident Wahid hatte angekündigt, dass Vizepräsidentin Megawati, die enge Verbindungen zu Christen unterhält, sich um die sozialen und politischen Probleme in Irian Jaya und den Molukken kümmern wird, während er sich selbst in den Konflikt um die Provinz Aceh einschalten will. In dem rohstoffreichen Nordteil der Insel Sumatra streben strenggläubige Muslime nach staatlicher Unabhängigkeit.

Neben politischer Autonomie geht es darum, den Regionen einen größeren Anteil an wirtschaftlicher Selbstbestimmung zu gewähren. Unter dem Diktator Suharto wurden die Regionen im Wesentlichen als Ressourcen- und Einnahmenquelle gesehen. Die Wahl eines Chinesen zum neuen Wirtschaftsminister bricht mit der Tradition einer muslimischen Politikerkaste und ist ein Signal ethnischer Toleranz.

Michael Streck

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