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Politik: FRANKFURT – DIE GESELLIGE

Die höchste Kriminalitätsrate aller deutschen Großstädte und die Skyline prägen das schlechte Image. Doch Frankfurt am Main ist in Wahrheit kein Eldorado für Verbrecher und Abzocker.

Die höchste Kriminalitätsrate aller deutschen Großstädte und die Skyline prägen das schlechte Image. Doch Frankfurt am Main ist in Wahrheit kein Eldorado für Verbrecher und Abzocker. sondern im Gegenteil gesellig, überschaubar, liebenswert. Die Stadt ist viel kleiner, als die meisten glauben. Gerade mal 700 000 Menschen leben hier. Das historische Zentrum der Freien Reichsstadt, in der jahrhundertelang römisch- deutsche Kaiser und Könige gewählt und gekrönt wurden, misst gerade einmal zwei auf drei Kilometer.

Frankfurts Charme machen die einstigen Dörfer am Rande der Stadt aus, die erst im Boom des 19. Jahrhunderts zu Wohnquartieren ausgebaut wurden. Hier, in Bockenheim, in Bornheim, im Nord- oder Westend stehen die großzügigen Mietskasernen der Gründerzeit, die heute als Top-Wohnadressen gelten. Jeder Stadtteil hat seinen Wochenmarkt, auf dem man einkaufen und schlemmen kann, Wein aus der Pfalz, Handkäs aus der Wetterau. Dort oder in einem Bornheimer oder Seckbacher Gartenlokal, unter blühenden Kastanien, beim Äppelwoi, kommt man auch als „Eingeplackter“ – so nennen die Frankfurter ihre Neubürger – schnell ins Gespräch.

Die Frankfurter sind direkt. Sie spotten gerne, über sich und andere. Die „Schlappmäuler“ belegen selbst die Hochhäuser der stolzen Skyline mit Spottnamen. Den eindrucksvollen Messeturm der Stararchitekten Murphy/Jahn nennen sie schlicht „Bleistift“.

In Frankfurt lässt es sich nicht nur arbeiten, sondern auch gut leben. Keine Stadt gibt pro Einwohner mehr für Kultur aus. Die Oper, gerade mit dem International Opera Award ausgezeichnet, genießt Weltrang. Es gibt eine Städtische und zahlreiche freie Bühnen. Kult sind die überraschenden Inszenierungen Willy Pramls‘, der die riesige ehemalige Naxos-Fabrikhalle zur Theaterbühne gemacht hat. Im Kneipenviertel Sachsenhausens spielen Live-Bands, in den angesagten Clubs des Ostends grooven DJs und Nachtschwärmer bis in den frühen Morgen. In den Parks kicken Thekenmannschaften, auf dem Uferweg der renaturierten Nidda radeln am Wochenende Tausende. Auf dem ehemaligen Hubschrauberlandeplatz der US-Streitkräfte in Bonames tafeln unter freiem Himmel Radler, Raver und Familien.

Natürlich gibt es auch in Frankfurt Problemviertel. Der Anteil von Schülern mit Migrationshintergrund beträgt in manchen Klassen 80 Prozent. Es gibt trotzdem keine wirklichen Probleme mit Ausländerfeindlichkeit. „Wir Frankfurter haben Einwanderung immer als etwas Bereicherndes gesehen, das war schon bei Römern und Franken so, später bei Juden und Hugenotten“, sagt Frankfurts Oberbürgermeister Peter Feldmann. Der bis vor einem Jahr eher unbekannte Sozialdemokrat hat mit seiner Wahlkampagne das drängendste Problem der Stadt thematisiert: bezahlbarer Wohnraum. Die Mieten steigen wie in Berlin rasant, auf mehr als zehn Euro kalt, Eigentum kostet in Toplagen bis zu 11 000 Euro pro Quadratmeter. Frankfurts Fläche ist begrenzt, der Zuzug erhöht den Druck.

Noch ein anderes Thema verbindet mit Berlin. Auch Frankfurt ist im Fußball endlich wieder erstklassig, sogar auf Europakurs. Bescheiden ist der Frankfurter ohnehin eher nicht. „Es will merr net in mein Kopp enei, wie kann nor e Mensch net von Frankfort sei“, formulierte Mundartdichter Friedrich Stoltze und wird am Main mindestens so oft zitiert wie der Frankfurter Goethe. Christoph Schmidt Lunau

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