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Frankreich: "Wir bringen die Reform zu Fall"

Die Gegner des französischen Premierministers Dominique de Villepin und seiner umstrittenen Arbeitsrechtsreform lassen die Muskeln spielen. Sie stellen der Regierung ein Ultimatum und drohen mit Generalstreik.

Paris - Gewerkschaften, Schüler- und Studentenverbände bringen mehr und mehr Demonstranten auf die Straße. Kompromisslos wollen sie den «Vertrag zur Ersteinstellung» zu Fall bringen und den Kronprinzen von Staatspräsident Jacques Chirac gleich mit. Chirac ist in der Zwickmühle, die Villepin aufgebaut hat. «Mit der Dynamik bringen wir die Reform zu Fall», frohlockt CGT-Boss Bernard Thibault - Villepin hat es geschafft, die Gewerkschaften zu einen.

«Es bleibt die Atombombe, der Generalstreik», denn eine weitere nationale Protestwelle mache wenig Sinn, fasste das Boulevardblatt «France Soir» die Stimmung unter den Villepin-Gegnern zusammen. Und das waren am Samstag etwa eine Millionen. Erstmals seit den Aktionen gegen die Arbeitsmarktpolitik des damaligen Premierministers Edouard Balladur 1994 gingen Junge und Alte, Schüler und Arbeitnehmer in so großer Zahl landesweit auf die Straße. Auch die Krawallmacher konnten nach den Massenprotesten das Bild nicht verwischen: «Solidarität der Generationen» war angesagt, Familien kamen gemeinsam zur Kundgebung.

«Wir wollen keine ausgepressten Zitronen sein. Nicht die Jungen oder die Arbeitnehmer, sondern die Regierung muss gefeuert werden», skandierten Schüler und Studenten auf der Pariser Großkundgebung. Sie wollen einen sicheren Arbeitsplatz und damit eine Zukunft, aber keine zweijährige Probezeit für junge Arbeitnehmer, wobei der Arbeitgeber ohne Angabe von Begründungen entlassen kann. Auf der Kundgebung in Lyon machte ihnen der 28-jährige spanische Student Paulo Fernandez Mut: «Wir haben in Spanien vor drei Jahren auch dagegen demonstriert, und die Probezeit unseres "Vertrags zur Ersteinstellung" ist von zwei Jahren auf sechs Monate verkürzt worden.» Ob Villepin diese Option angesichts des massiven Drucks der Gewerkschaften überhaupt noch hat?

Mit Blick auf die Präsidentenwahl im Frühjahr 2007 hat sich der konservative Premierminister und gelernte Diplomat bisher konsequent Härte verordnet. Er will als derjenige ins Rennen um die Nachfolge im Elysée-Palast gehen, der dem Druck der Straße nicht nachgeben hat und «nimmt sich damit selbst als Geisel», meinte die angesehene Pariser Zeitung «Le Monde». Den Präsidenten allerdings gleich mit. Zwar haben Chirac und Villepin so manche politische Machtprobe durchgestanden. Ein Rücktritt des erst vor zehn Monaten eingesetzten Villepin würde jedoch eine tiefe politische Krise auslösen und das zementieren, was Kritiker doch schon seit einiger Zeit «Chiracs Vorruhestand» nennen.

«20 Jahre lang haben alle Regierungen einen Rückzieher gemacht, wenn die Jungen aufmuckten», sagt der Villepin-Vertraute Georges Tronc. So schaffe man keine Reform. «Man kann nicht wie sonst immer in Frankreich allein nach der Logik des Alles oder Nichts gehen», so schlägt der Regierungssprecher Jean-François Copé nach den Protesten in dieselbe Kerbe. «Die Hand ist ausgestreckt, die Tür offen», zeigt er die Bereitschaft, das beschlossene Gesetz zu verbessern. Wissend um den Rückhalt in der Bevölkerung, scheinen die Gewerkschaften aber wenig geneigt, Villepin jetzt dabei zu helfen, das Gesicht zu wahren.

Vielmehr ist eine «neue Beschleunigung» angesagt, sagt der FO- Gewerkschaftsboss Jean-Claude Mailly. Die Regierung habe gehofft, die Proteste würden im Sand verlaufen und werde nun eines Besseren belehrt: «Villepin ist wie ein Pyromane, der Feuer im Tal gelegt hat und anschließend von einem Hügel aus zuschaut und nichts tut.» Das hört sich zumindest so an, als könne derzeit kaum darüber verhandelt werden, das umkämpfte Gesetz eine Zeit lang auf Eis zu legen oder die Probezeit zu kürzen. (Von Hanns-Jochen Kaffsack, dpa)

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