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Politik: "Frauen und Krieg": Frauen kämpfen nicht Mann-gegen-Mann

"Frauen an die Macht - auf dass die Welt besser und friedlicher werde!" Diese These war für einige Zeit durchaus keine rein akademische.

"Frauen an die Macht - auf dass die Welt besser und friedlicher werde!" Diese These war für einige Zeit durchaus keine rein akademische. Vor zwanzig Jahren hat die Frauenbewegung noch geglaubt, die Welt zum Guten hin verändern zu können - wenn man(n) sie nur ließe. Stehen Frauen also gleichsam naturgemäß für den Frieden, weil sie Kinder gebären können und in der Regel großziehen? Weil die Dominanz von sozialer und staatlicher Gewalt sie sonst andererseits geradezu automatisch zu Opfern macht? Die Massenvergewaltigungen von Frauen in Kriegen sind bekanntlich kein neues Phänomen, das erst der Balkankrieg hervorgebracht hätte. Sind Frauen also doch das "schwache Geschlecht"?

Der prominente Militärhistoriker Martin van Creveld ist so weit von dieser populären These der Männerwelt gar nicht entfernt - und dürfte schon aus diesem Grunde bei vielen Leserinnen und Lesern sehr anecken. Denn es ist ja gerade mal ein paar Monate her, dass sich deutsche junge Frauen den Zugang zur Bundeswehr, auch in Kampfeinheiten, erfolgreich vor Gericht erstritten - durchaus ein historischer Meilenstein für die Bundesrepublik und Deutschland überhaupt. Weshalb sollten Frauen nicht auch ein Maschinengewehr bedienen können, Panzer fahren, Raketen abfeuern? Andere Länder wie die USA und Israel haben schon längst vorgemacht, was nun auch hier gängige Praxis geworden ist.

Creveld jedoch behauptet, dass dieser "Triumphzug der Frauen" nur eine "Illusion" sei. Er sieht in ihrer Eroberung des Kombattantentums sogar "Symptom und Ursache für den Niedergang des Militärs" ganz allgemein. Dieser Prozess sei seit der Erfindung und Verbreitung von Nuklearwaffen in Gang gekommen und durch den Kalten Krieg noch gefördert worden, so der israelische Militärtheoretiker, der übrigens auch als Berater im amerikanischen Verteidigungsministerium fungiert. Je unwahrscheinlicher der "Mann-zu-Mann-Kampf" - so seine These - desto mehr würden Frauen in die Armee drängen. Und dies wiederum würde die Männer in ihrer letzten ureigenen Domäne - dem Kampf auf Leben und Tod - abschrecken und verunsichern. Oder zusammengefasst: Erst die "Zivilisierung des Krieges" und die Unwahrscheinlichkeit seines Eintretens hat die Feminisierung der Streitkräfte ermöglicht.

So weit, so gut. An der These mag etwas dran sein, wenn man die modernen Armeen der industrialisierten Länder betrachtet. Hier ist der klassische Krieg zwischen den Armeen zweier Länder in der Tat Historie geworden. Aber gilt das auch für die Konflikte der Zukunft, die Creveld in seinem vorangehenden Buch so eindrucksvoll beschrieben hat? Für die "kleinen Kriege", die mit Guerilla-Methoden geführt werden oder sich als Akte des Terrorismus präsentieren? Und gilt dies für die Länder Asiens? Länder wie China und Vietnam, in denen die Frauen historisch gezeigt haben, dass sie im Kampf nicht nur ebenbürtige Soldatinnen waren, sondern ihre männlichen Kameraden oft an Grausamkeit und Leidensfähigkeit sogar übertrafen?

Es ist ein offenes Geheimnis auch der Counter-Insurgency-Strategie von mittelamerikanischen Staaten in den 80er Jahren gewesen, dass deren Anti-Terror-Einheiten den strikten Befehl hatten, bei ihren Aktionen zuerst die Frauen zu erschießen: Sie galten als gefährlicher als ihre männlichen Kombattanten, kampfbereit bis zum Tod.

Creveld hat hier offenbar viele Fakten aus dem Auge verloren, und er argumentiert auch wenig stichhaltig, wenn er anthropologische Argumente wie die geringeren körperlichen Kräfte von Frauen heranzieht, ihre meist geringere Kondition gegenüber Männern und Ähnliches mehr. Der antikoloniale Befreiungskampf wurde ja nicht mehr mit Schwertern und in Verfolgungsjagden ausgefochten, sondern mit Zähigkeit, List und Opferbereitschaft. Und hier sind Frauen den Männern bekanntlich überlegen. Creveld zeigt sich mit diesem spannend geschriebenen Buch denn auch eher als intellektuell provozierender Haudegen, dessen Brise "Männlichkeitsromantik" vielleicht ja auch nur einen persönlichen Marketing-Trick darstellt - frei nach dem Motto: Wer provoziert, wird gelesen.

Wäre es anders, wäre es Crevelds schwächstes, weil undifferenziertestes Buch bisher. Dass Frauen anders sind als Männer, im Frieden wie im Krieg, ist eine Binsenweisheit. Ihnen aber deswegen in der Perspektive der Militärgeschichte Effizienz im Kampf abzusprechen, grenzt fast an einen Affront. Denn diese hat letztlich weniger mit Muskeln und Hurra-Geschrei denn mit Köpfchen zu tun. Dass auch hier Frauen "unterentwickelt" seien, hat Creveld zum Glück dann doch nicht behauptet.

Andreas Schworck

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