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Abflug. Kubaner mit Reisepass dürfen künftig ohne Sondergenehmigung reisen. Foto: dpa

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Politik: Freiheit mit Hintertürchen

Nach Jahrzehnten der Abschottung dürfen Kubaner frei reisen. Kritiker fürchten viele Ausnahmen – und die hohen Passgebühren.

Havanna - Es ist ein historischer Tag. Mit der Einführung der prinzipiellen Reisefreiheit haben die 11,2 Millionen Kubaner ab Montag erstmals seit Jahrzehnten eine Perspektive für Reisen ins Ausland erhalten. Doch es herrschen Zweifel, denn noch weiß keiner genau, wer wirklich und unter welchen Voraussetzungen reisen kann. Dürfen Ärzte und andere Hochqualifizierte ausreisen? Was ist mit Sportlern? Und gibt es Hürden für Dissidenten? Viele Fragen bleiben offen.

Yoani Sanchéz hat ihre eigenen Erfahrungen mit Ausreisegenehmigungen. 20 Mal beantragte die Regimekritikerin und Autorin des bekannten Internet-Blogs „Generación Y“ die Ausreise. 20 Mal lehnten die Behörden den Antrag ab. Am Wochenende sagte sie in einem Fernsehinterview in Havanna: „Viele Kubaner sitzen auf gepackten Koffern. Sie haben alles verkauft, um ihre Ausreise in ein Land, in das sie ohne Visum einreisen können, zu finanzieren. Listen dieser Länder kursieren in Kuba.“ Sánchez selbst wird in der kommenden Woche die Probe aufs Exempel wagen. Wie andere Kritiker auch glaubt sie: „Der Teufel steckt im Detail.“ Zwar sollen die bisher erforderliche Sondergenehmigung („Carta Blanca“) und auch die vorgeschriebene Einladung aus dem Ausland wegfallen. Dennoch sind Hürden für bestimmte Berufsgruppen und Dissidenten absehbar. Die Regierung will eine massenhafte Abwanderung des „von der Revolution geschaffenen Humankapitals“ verhindern.

Fortan dürfen Kubaner über 18 Jahre mit einem Reisepass ausreisen, dessen Ausstellung allerdings 100 US-Dollar (rund 76 Euro) kostet. Bislang waren die Formalitäten extrem kostspielig – sie verursachten Ausgaben in einer Größenordnung von 200 Dollar, ein Vielfaches dessen, was die meisten Kubaner monatlich verdienen. Blieben sie länger als elf Monate fort, galten Kubaner als Exilanten – ihr Besitz wurde eingezogen. Künftig dürfen sie zwei Jahre im Ausland bleiben.

Der „Reise-Montag“ wurde nicht nur in Kuba, sondern auch in den Vereinigten Staaten, vor allem in Miami (Bundesstaat Florida), mit einer Mischung aus Spannung und Skepsis erwartet. Rund zwei Millionen Kubaner leben im Ausland, etwa die Hälfte von ihnen in Florida. „Selbst wenn keine absolute Bewegungsfreiheit gewährt wird – der Schritt geht in die richtige Richtung“, sagte der Direktor des „Cuban Research Institute“, Jorge Duany. Auch er will erst einmal sehen, „wie die Maßnahmen umgesetzt werden, wer unter welchen Bedingungen und für wie lange ausreisen und wer einreisen darf.“ Viele in Miami glauben nicht, dass das sozialistische Kuba einfach seine Türen öffnet.

Die kubanische Bürokratie hat sich indes intensiv auf den Montag vorbereitet, wie aus Berichten offizieller Medien hervorgeht. Die Behörden hätten 195 Büros im ganzen Land eingerichtet, um die Ausgabe von Pässen zu regeln. Die Reisefreiheit ist dabei nur ein Teil der schrittweisen Öffnung des Landes, mit der Raúl Castro begonnen hat, seit er im Juli 2006 die Macht von seinem Bruder, dem Revolutionsführer Fidel Castro, übernahm. So erhielten die Kubaner seither das Recht, Mobilfunkgeräte anzumelden, Autos und Immobilien zu erwerben. Außerdem wurde die Abschottung der internationalen Touristenhotels für die lokale Bevölkerung aufgehoben. Tsp/dpa/AFP

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