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Politik: Freundschaft, reloaded

SCHRÖDER IN DEN USA

Von StephanAndreas Casdorff

Freunde sind sie nicht. Das ganz Vertrauliche, das George Bush und Gerhard Schröder einmal pflegten, ist mit dem Treffen im Weißen Haus und trotz der Demonstration von Vertrautheit nicht zurückgekehrt. Gründe dafür gibt es genug: Amerika und Deutschland trennt viel im Blick auf die Welt. Im einen Land denkt die Regierung stark in nationalen Kategorien, wirkt religiös und glaubt an den Krieg als Instrument der Politik. Im anderen setzt sie auf die Wirkmächtigkeit der Vereinten Nationen, erscheint säkular und gemäßigt pazifistisch. Die Deutschen, sagen die Amerikaner in der Regierung, sind politisch während der letzten Jahrzehnte nach links gerückt; die Amerikaner, sagen die Deutschen, werden immer konservativer. Also Gründe genug, miteinander zu reden.

Freunde werden sie nicht mehr – aber das stört auch nicht länger. Das Beben vom Sommer 2002, das Zerwürfnis über den Irakkrieg ist seit Schröders Besuch mit Worten überbrückt. Staaten haben keine ewigen Freunde, sondern nur fortwährende Interessen, hat Lord Palmerston gesagt. Im Interesse beider Staaten ist es nicht, dass sich ihre Vormänner zerstreiten, sondern dass sie zusammenarbeiten: die USA als Vormacht der Welt, Deutschland als stärkste Macht Europas. Das Wort von der „Partnerschaft in der Führung“, das seinerzeit Bush der Ältere prägte, ist nicht eingelöst. Aber Bush der Jüngere hat mit den Deutschen offiziell ein Bündnis geschlossen, das der Vorstellung nahe kommt – mit einer „Agenda“ für gemeinsames Handeln. So erweist ein Land dem anderen Respekt, und Bush auch Schröder. Darauf kommt es an.

Richtig ist, dass Bush um den Wiedereinzug ins Weiße Haus kämpft und Schröder um sein Überleben als Kanzler im Strudel der Reformen. Da kann einer dem anderen helfen, indem er ihn öffentlich aufwertet. Aber sie reden auch deshalb wieder auf Augenhöhe miteinander, weil erstens die USA Deutschland aktuell brauchen, für den Nachkriegsirak. Und zweitens, weil dieser Kanzler bei seiner Standortbestimmung und in seinen Prioritäten so deutlich ist, wie es zuletzt Kanzler Helmut Schmidt war. Europa zuerst, dann die transatlantische Verbindung; gemeinsam sind wir stark, lautete Schröders Botschaft in Chicago, aber noch stärker werden wir, wenn Europa sich als Vision die gemeinsame Außenpolitik vornimmt.

Hier treffen sich die Interessen auch wieder. Dass sich Europa als Staatenunion aktiver verhalten, bessere (zumal militärische) Kapazitäten aufbauen und geschlossener handeln muss, hat sich der Europarat im Dezember zum Ziel gesetzt. Diese drei Forderungen zu verwirklichen, braucht Zeit und kostet Geld. Ist Europa in diesem Sinne zielstrebig, wird es zu einem effektiveren Partner Amerikas. Und effektiver bedeutet: ebenbürtiger. Das wissen beide Seiten.

Sie haben noch viel zu bereden. Über die Verringerung der Treibhausgase, die Biowaffenkonvention, den Internationalen Strafgerichtshof, die Gefangenen von Guantanamo, über die Frage, auf welche Weise am ehesten Demokratie mit Frieden in der Welt geschaffen wird. Dabei darf es Meinungsunterschiede geben. Und das Verhältnis wird immer wieder neu justiert werden müssen. Aber die westlichen Werte sind eine dauerhaft tragfähige Brücke über den Atlantik, wie sich zeigt. Sie hält auch Beben stand.

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