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Oder doch nicht sofort? Die Kriege im Irak und in Afghanistan haben viele mobilisiert. Bei Libyen ist das schwieriger.

© picture alliance / dpa

Friedensbewegung: Eingreifen oder raushalten

Der Nato-Krieg in Afrika spaltet Intellektuelle – bei den Ostermärschen geht es um Atomthemen. Wie die Friedensbewegung mit dem Libyenkrieg umgeht.

Von
  • Hans Monath
  • Michael Schmidt

Berlin - Es findet zusammen, was sich zusammengehörig fühlt: Die Friedens- und die Antiatombewegung ziehen dieses Jahr bei den Ostermärschen Seit’ an Seit’ durch Deutschlands Städte. Im Zentrum stehen die Forderungen nach einem Ausstieg aus der Kernkraft und die Abschaffung von Atomwaffen. Der Libyenkrieg der Nato wird zwar auch ein Thema sein – das Motto laute „Kein Krieg für Öl – Stoppt die völkerrechtswidrige Aggression in Libyen“, erklärt Laura von Wimmersperg vom Netzwerk Berliner Friedenskoordination. Ein Mobilisierungspotenzial wie die Golf- und Irakkriege der Vergangenheit aber hat das Engagement der westlichen Militärallianz in Nordafrika zur Überraschung und zum Bedauern mancher Friedensbewegter aber offenbar nicht. Mehr Zulauf versprechen sich die Veranstalter ganz offenbar von dem Atomthema.

„Mit dem gemeinsamen Zug kehrt der Ostermarsch zu seinen Wurzeln zurück“, sagt Uwe Hiksch vom Bundesvorstand der Naturfreunde Deutschlands. Schließlich habe die westdeutsche Anti-Atomtod-Bewegung in den 1950er Jahren, noch unter dem Eindruck der Bombenabwürfe über Hiroshima und Nagasaki am Ende des Zweiten Weltkriegs, als Protestbewegung gegen die atomare Bewaffnung unter dem damaligen Verteidigungsminister Franz Josef Strauß (CSU) begonnen. „So lange, wie es Atomkraftwerke gibt, so lange gibt es den Stoff, aus dem Atombomben gebaut werden“, meint Hiksch. Und „solange Atomwaffen existieren, bestehen die Gefahr und der Anreiz zu ihrer weiteren Verbreitung.“

In rund 80 deutschen Städten sind Ostermärsche angekündigt, mit bis zu 80 000 Teilnehmern rechnen die Veranstalter. Für Ostermontag sind Großdemonstrationen an den zwölf deutschen Standorten von Kernkraftwerken geplant. Nach der Reaktorkatastrophe in Japan und angesichts des 25. Jahrestags des Atom-GAUs in Tschernobyl erwarten die Veranstalter die meisten Demonstrationen am zweiten Osterfeiertag. In Berlin wird bereits am Samstag marschiert (siehe Kasten). Der Ostermarsch Rhein/Ruhr zu den größten Aktionen rund um die Feiertage. Er steht unter dem Motto: „Gegen die Bundeswehr im Einsatz – Raus aus Afghanistan! Atomwaffen abschaffen – Atomkraftwerke abschalten!“

Anders als frühere Kriege hat der Konflikt um Libyen bei deutschen Intellektuellen wenig Widerhall gefunden. Während in Frankreich Geistesgrößen um Bernard-Henry Lévy mit Auftritten und Aufrufen die eigene Regierung zum Handeln bewegten, schalteten sich diesseits des Rheins nur wenige Kulturvertreter in die Debatte ein. Die auffällige Zurückhaltung kommentierte Klaus Staeck, Präsident der Akademie der Künste in Berlin, mit dem bitteren Satz: „Die meisten haben sich das Politische abtrainieren lassen.“

Einige Prominente aber bezogen Stellung. So lobte Martin Walser Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ausdrücklich dafür, dass sie Deutschland „aus diesem Abenteuer heraushält“. Der 84-jährige Schriftsteller verwies auf Erfahrungen mit dem Afghanistankrieg: „Sie haben gelernt, was dabei herauskommt, wenn man sich auf Kriegsabenteuer einlässt.“ Wenig überraschend war dagegen, dass Ralph Giordano auf seine eigenen Lehren aus der Nazizeit verwies und forderte, dem Gewalttäter in den Arm zu fallen: Hitler bleibe „das klassische Lehrbeispiel dafür, welche Folgen die Verzögerung hat“, meinte der 88-Jährige, der in der Nazizeit als Jude verfolgt wurde.

Den französischen Aufruf zum Eingreifen gegen Machthaber Muammar al Gaddafi stützten der Liedermacher Wolf Biermann sowie die Autoren Christoph Buch und Peter Schneider. Er selbst gehörte zur „68-Generation“, die manchmal zu schnell Partei ergriffen habe, meinte Buch. Die Jüngeren hätten „aber wohl den Reflex des Pazifismus verinnerlicht und halten nun jedes militärische Eingreifen für verdächtig“. Auch der 70-jährige Peter Schneider, der zu den entschiedenen Gegnern des Irakkriegs gehört hatte, verlangte diesmal militärisches Handeln. Während der Irakkrieg auf einer Lüge basiert habe und von keinem UN-Mandat gedeckt gewesen sei, gehe es nun darum, ein aufständisches Volk vor einem Diktator zu schützen.

Staeck selbst, der den Afghanistankrieg abgelehnt hatte, kritisierte die deutsche Enthaltung gegenüber der Flugverbotsresolution des Sicherheitsrates scharf und forderte die Militärintervention. „Einem Diktator wie Gaddafi, dem kann man nicht mit frommen Sprüchen kommen“, lautete seine Begründung.

Das Urteil Staecks, wonach Politik in den Feuilletons nicht mehr gefragt sei, traf auf die deutschen Qualitätszeitungen allerdings nicht zu: Die meisten Kulturteile ließen sich vom Freiheitsgedanken anstecken und nahmen deutlich Partei für die Rebellen und für ein Eingreifen des Westens. Die Kosten und Risiken einer Militärintervention wurden dagegen selten thematisiert. Damit verhielten sich die Feuilletonschreiber ähnlich wie die frühere evangelische Bischöfin Margot Käßmann, die im Tagesspiegel ein Eingreifen zugunsten der Aufständischen und zugleich die Begrenzung militärischer Gewalt verlangte. Über die Wirkung des Krieges in Afghanistan, in dem der Westen neben Sicherheitsinteressen auch Menschenrechte verteidigt, hatte Käßmann vor nicht allzu langer Zeit geurteilt: „Nichts ist gut in Afghanistan.“

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