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Politik: Fünf Stunden gewonnen

Atomkraftgegner haben den Castor-Zug im Wendland aufgehalten – und den Transport nach Gorleben auch diesmal teuer gemacht

Im Grunde konnten beide Seiten am Ende des Tages zufrieden sein. Die Polizei, weil sie den Castor-Zug ohne größere Probleme bis in den Verladebahnhof in Dannenberg im Wendland gebracht hat. Die Atomkraftgegner, weil sie durch ihre Blockadeaktionen entlang der Strecke den Zeitplan des Transports empfindlich gestört haben. Statt wie vorgesehen um 10 Uhr 30 erreichte der Atommüll erst gegen 15 Uhr 30 den Verladebahnhof in Dannenberg, wo die zwölf Castorbehälter auf ihrem Weg ins Zwischenlager Gorleben zunächst auf Spezial-LKW umgeladen werden müssen. Da für jeden Castor eine Umladezeit von einer guten Stunde gerechnet wird, mussten Polizei und Bundesgrenzschutz ihren Plan aufgeben, das Unternehmen Castor bereits am Dienstagabend zu beenden. Jetzt muss das letzte Stück auf der Straße von Dannenberg nach Gorleben am heutigen Mittwoch bewältigt werden – möglicherweise schon im Morgengrauen.

Und auch dabei wird es Probleme geben. Denn die eigentliche Route über die Dörfer Quickborn und Splietau, die sich die Polizei für die Straße vorgenommen hatte, hat sich als unbrauchbar erwiesen. Unbekannte hatten eine Wasserleitung unterhalb der Straße angebohrt und den Asphalt damit unterspült. Es gibt zwar noch eine Alternativstrecke ein bisschen weiter südlich, doch die würde Polizei-Einsatzleiter Friedrich Niehörster nur ungern in Anspruch nehmen. Denn auf dieser Strecke sind „Laternenumzüge“ der Castorgegner angemeldet.

Am Dienstag wurde daher bis in den späten Abend mit Hochdruck daran gearbeitet, das durch den Wassereinbruch entstandene Loch in der Fahrbahndecke zu flicken. Wenn das nicht gelingt, muss die Polizei den mit Protesten gepflasterten Weg zum Zwischenlager nehmen.

Trotzdem machten Niehörster und seine Kollegen kein unglückliches Gesicht. Natürlich gab es zwar die üblichen Rangeleien, als Protestierer mit wechselndem Erfolg versuchten, die massiv gesicherten Bahngleise auf der Strecke nach Dannenberg zu erreichen, doch zu heftigen Auseinandersetzungen kam es nicht. Wenngleich sich die Anti-Atom-Initiative „X-1000-mal quer“ über überhartes Einschreiten der Polizei gegen Sitzblockierer am Vormittag beschwerte. Einer der Demonstranten brach sich dabei ein Bein, teilte der Sprecher der Initiative, Jochen Stay, mit. Die Atomgegner werten es indes als großen Erfolg, das polizeiliche Konzept durchkreuzt zu haben. Die Effektivität der Proteste wird in Stunden und Minuten gemessen: Wegen der Verzögerungen müssen auch heute Tausende aus dem Bundesgebiet angereiste Beamte im Wendland Dienst schieben. Das macht den Transport auch in diesem Jahr wieder teuer. Dass sie die Transporte nur ein bisschen aufhalten, nicht aber abwenden können, haben die Wendländer schon lange akzeptiert.

Peter Stoeckenius[Hamburg]

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