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Politik: Für die Ärmsten der Armen

Bereits zum Jahresende dürften 18 Staaten vom Schuldenerlass profitieren – doch Experten warnen

Der im Juli von den sieben führenden Industrienationen und Russland (G8) beschlossene Schuldenerlass für die ärmsten Länder der Welt steht kurz vor der Umsetzung. Mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) hat am Wochenende einer der größten internationalen Kreditgeber die Übereinkunft offiziell gebilligt. Der IWF-Führungsausschuss erklärte in Washington, sämtliche Elemente der Abmachung zu unterstützen und das Vertragswerk umgehend an die Weltbank weiterzuleiten. Durch die Unterstützung des IWF dürfte es bereits zum Jahresende zu den ersten Schuldabschreibungen für 18 der ärmsten Staaten in Höhe von rund 40 Milliarden Dollar kommen. Zusätzlich sparen die betroffenen Länder pro Jahr etwa 1,5 Milliarden Dollar an Schuldenrückzahlung.

Die G-8-Staaten hatten zugesagt, die dem IWF und der Weltbank gewährten Mittel im Zuge der Schuldabschreibung nicht zu kürzen. Diese Zusage war zunächst auf den Widerstand kleinerer Industriestaaten wie Belgien und die Niederlande gestoßen, die ebenfalls an der Finanzierung der Übereinkunft beteiligt sind. Sie hatten befürchtet, dass durch den Schuldenerlass bei der Weltbank eine größere Finanzlücke entstehen könnte. Diese Bedenken sind offenbar ausgeräumt. Angeblich sollen die durch den Schuldenerlass entstehenden Löcher nicht nur mit Mitteln der reichen Industrieländer, sondern auch der Ölproduzenten gestopft werden. Der deutsche Anteil am Schuldenerlass dürfte innerhalb der nächsten zehn Jahre zwischen 700 und 950 Millionen Euro liegen.

Während die Weltbank die wirtschaftliche Entwicklung der weniger entwickelten ihrer 184 Mitgliedstaaten durch Finanzhilfen und Beratung fördert, überwacht der IWF vor allem die internationale Geldpolitik. Gleichzeitig unterstützt der IWF allerdings auch Mitgliedsländer mit Krediten, die in wirtschaftliche Schieflage geraten. Das Geld dafür stammt aus den Einzahlungen der reicheren Mitgliedsländer. Gegenwärtig verfügt der IWF über eine Kapitaldecke von rund 250 Milliarden Euro.

Nach Angaben des britischen Finanzministers Gordon Brown, der den Schuldenerlass maßgeblich forciert hatte, können die Schulden von 18 Entwicklungsländern in Höhe von 40 Milliarden Dollar mit sofortiger Wirkung entfallen. 14 der davon betroffenen Länder liegen in Afrika. Neun weitere Staaten könnten von der Initiative in den nächsten zwölf bis 18 Monaten ebenfalls profitieren. Allerdings müssen sie zuvor die Bedingungen „guter Regierungsführung“ erfüllen und sich zu einem stärkeren Kampf gegen die Korruption verpflichten.

Trotz der Auflagen findet der Schuldenerlass nicht nur ungeteilte Zustimmung. Beobachter wie der Volkswirt Sanjeev Sanyal von der Deutschen Bank in Indien sind vielmehr der Ansicht, dass ein Schuldenerlass schon deshalb wenig Wirkung zeigen wird, weil indirekt gewährte Hilfe oft leicht versickert. Weit effektiver sei direkte humanitäre Hilfe für genau definierte Projekte, weil sich diese einfacher überwachen ließen, meint Sanyal.

In der Tat ist zweifelhaft, ob die ärmeren Länder bei einer pauschalen Schuldentilgung wirklich so viel Geld in die eigenen Gesundheits- und Bildungssysteme pumpen, wie sie stets versprechen. Die Erfahrung lehrt, dass nach einem Schuldenerlass in kurzer Zeit anderswo neue Schulden angehäuft werden. Ein Beispiel dafür ist Uganda, das 1996 in den Genuss einer beträchtlichen Schuldabschreibung kam und nun abermals zu den Nutznießern zählt. Seit 1996 haben sich die Militärausgaben des ostafrikanischen Landes kaum verringert. Zeitweise lag sein Rüstungsetat nach Angaben der Weltbank sogar über den Ausgaben für den Schuldendienst. Auch werden noch immer rund 70 Prozent seines laufenden Staatshaushaltes von den Geberländern finanziert. In Mosambik, dessen Entwicklung als Erfolgsgeschichte gilt, behindert die Bürokratie die Wirtschaft. In vielen Ländern Afrikas habe westliche Hilfe nur dazu geführt, dass sich die politischen Eliten daran gewöhnt hätten, von außen alimentiert zu werden, sagt Rainer Erkens, vom Liberalen Institut in Potsdam. Daher würden die Regierungen häufig selbst keine unternehmerischen Initiativen anstoßen. Ohne ein anlegerfreundlicheres Umfeld werden die meisten Länder in Afrika aber kaum wie Indien oder China den Übergang von der staatlichen Entwicklungshilfe zu den dringend benötigten Privatinvestitionen schaffen.

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