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Politik: Für eine Schale Reis

Am Montag wählen die Philippinen eine neue Führung – Favorit ist der Sohn von Corazon Aquino

Ein weltbekannter Boxer, ein gestürzter Präsident und eine Schuhliebhaberin, auf den Philippinen können so verschiedene Charaktere durchaus etwas gemeinsam haben. Am Montag nämlich treten Boxchampion Manny Pacquiao, der frühere Filmstar und Präsident Joseph Estrada und Diktatorenwitwe Imelda Marcos als Kandidaten bei den Landeswahlen an. Insgesamt 17 000 Ämter werden vergeben: Gewählt werden der Präsident, Senatoren und Abgeordnete und lokale Vertreter. Und wie immer auf den Philippinen geht es dabei nicht so sehr um Inhalte, sondern vor allem um Personen.

Einer der interessantesten Bewerber ist Benigno „Noynoy“ Aquino III, Sohn der im August an Krebs verstorbenen Corazon Aquino. „Cory“ führte 1986 die friedliche Volksrevolte gegen Diktator Ferdinand Marcos an. Sie war die erste demokratisch gewählte Präsidentin Asiens. Noynoys Vater war der 1983 ermordete Marcos-Herausforderer Benigno Aquino Junior. Millionen hoffen, dass der berühmte Sohn endlich Armut und Misswirtschaft bekämpft und Islamisten und Kommunisten bezwingt.

Noch in den 60er Jahren war das Inselreich die größte Volkswirtschaft Südostasiens. Die Bevölkerung verdreifachte sich seither, Wachstum und Reformen blieben aus. Heute haben lediglich 64,5 Prozent der arbeitsfähigen Bevölkerung einen Job. Der einstige Reisexporteur wurde zum größten Reisimporteur der Welt. Und dennoch wird gehungert auf den Philippinen.

Der nach Umfragen weit hinter Aquino abgeschlagene Estrada tischte Anhängern zu seinem 73. Geburtstag ein Festmahl auf. „Mein bestes Essen je“, schwärmte der 54-jährige Ricardo Istacion, Witwer und Vater, der sonst angeblich nur Reisgrütze isst. Doch auch andere machen Wahlkampf mit dem Hunger: Im März gaben die Behörden mehr als 200 000 Tonnen Reis frei, das Fünffache der üblichen Menge. Der größte Teil wurde von Wahlkämpfern verteilt. „Wenn Leute nichts haben, dann werden sie leicht zu Opfern dieser Taktik“, sagt Rey Trillana, dessen Nichtregierungsorganisation in Manila für mehr Demokratie kämpft.

Unter dem Motto „Keine Korruption, keine Armut“ geht Aquino gleich zwei emotionale Themen an. Mit seinem schlaksigen Auftreten wirkt er allerdings eher, als habe er sich in die Politik verirrt. Seine Gegner sagen, als Sohn einer privilegierten Familie sei er Teil der Probleme der Philippinen. „Warum kandidiert er?“, fragt Gegenkandidat Senator Richard Gordon. „Weil seine Mami starb. Weil sein Papi starb. Na und?“

Präsidentin Corazon Aquino hatte ihre Amtszeit mit einer Landreform küren wollen. Doch bis heute besitzt ihre Familie selbst eine 6435 Hektar große Zuckerrohrplantage. Noynoy will sie verkaufen, kämpft aber gegen genau jenen Widerstand aus dem eigenen Clan, der Reformen lähmt. Doch der Name Aquino verzaubert. Noynoy wird schon fast messianische Verehrung zuteil, in dem Land, in dem die Kirche offen hinter Corazon Aquino stand.

Die Philippinen wählen am 10. Mai zum ersten Mal mit elektronischer Stimmabgabe. Das System sei noch anfälliger für Betrug, warnen Kritiker. Die andere Sorge bleibt die Gewalt. „Politische Morde gehören hier zu jeder Wahl“, sagt Landeskennerin Marites Vitug. „Letztes Mal haben wir gefeiert, dass die Zahl der Morde auf nur 100 sank.“ Eine Zahl, die dieses Mal schon fast im November erreicht wurde, als der mächtige Ampatuan-Clan im südlichen Maguindanao ein Blutbad mit 57 Toten anrichtete. Auch am Sonntag kamen bei Zusammenstößen zwischen Anhängern rivalisierender Kandidaten und Sicherheitskräften fünf Menschen ums Leben.

Daniel Kestenholz[Bangkok]

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