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G8-Gipfel: Europa erhöht Druck auf Bush

US-Präsident George W. Bush gerät beim G8-Gipfel unter den Druck der Europäer. Er lehnt eine deutlich höhere Hilfe für Afrika ab. Im Gegensatz zum Vortag gab es in der Nacht keine Krawalle.

Gleneagles (07.07.2005, 9:01 Uhr) - Nach den Krawallen zum Auftakt des G8-Gipfels in Schottland ist es in der Nacht ruhig geblieben. Eine Polizeisprecherin sagte, es habe keine Zwischenfälle gegeben. Die Polizei hatte am Abend vorsorglich ein Zeltlager von Globalisierungskritikern in der Nähe des Tagungsortes Gleneagles abgeriegelt. Am Mittwoch hatte die Polizei insgesamt 182 Demonstranten festgenommen. Acht Polizisten und mindestens ein Demonstrant wurden verletzt. Nach einem BBC-Bericht sollen viele der Festgenommenen Deutsche sein. Die Polizei konnte dies zunächst aber nicht bestätigen. Etwa 120 der festgenommenen Demonstranten sollen am Donnerstag vor Gericht erscheinen.

Zu Beginn des Treffens am Mittwoch im schottischen Gleneagles stritten die USA und die anderen sieben Mitglieder noch immer, mit wie viel Geld der Hunger und die Armut auf dem Kontinent bekämpft werden soll, wie aus den Delegationen verlautete. Die EU ging mit gutem Beispiel voran und kündigte eine deutliche Aufstockung ihrer Handelshilfen für die Entwicklungsländer von jährlich einer Milliarde Euro aus der Brüsseler Kasse an. Die Staats- und Regierungschefs der sieben führenden Industrienationen und Russlands kamen am Abend zu einem Galadinner mit der britischen Königin Elizabeth II. zusammen.

Trotz des größten Polizeiaufgebots in der Geschichte Großbritanniens kam es erneut zu schweren Krawallen in Edinburgh und auf den Straßen zu dem 70 Kilometer entfernten Tagungsort, dem Luxushotel Gleneagles. Am Abend kamen etwa 3000 bis 4000 Demonstranten bei einem Protestmarsch zusammen. In der Nähe des Hotels durchbrachen Demonstranten einen Sicherheitszaun, der das Anwesen weiträumig abriegelt. Eine Polizei-Sondereinheit griff daraufhin ein und drängte die Demonstranten zurück. Etwa 100 von ihnen wurden festgenommen. Insgesamt sind 10 000 Polizisten im Einsatz.

Fast zeitgleich mit dem Empfang bei Königin Elizabeth II. spielten bei einem großen Konzert in Edinburgh zahlreiche Pop- und Rock-Stars vor etwa 50 000 Menschen. Live-8-Initiator Bob Geldof hatte auch dieses Konzert organisiert.

Bei der Debatte über die Entwicklungshilfe herrschte unter den Staats- und Regierungschefs aus den USA, Deutschland, Kanada, Japan, Russland, Frankreich, Italien und Großbritannien offensichtlich nur Einigung, korrupte Regime in den Entwicklungsländer von Hilfe auszuschließen.

Der britische Premierminister und Gastgeber Tony Blair sagte, es sei nie geplant gewesen, die Gelder an korrupte Staaten zu verteilen. «Wir konzentrieren uns ganz klar auf Hilfe und auf die Bekämpfung der Korruption», sagte er. «Weder ich noch irgendeiner der führenden Aktivisten sagen, es geht hier nur um Geld.» Bundeskanzler Gerhard Schröder und US-Präsident George W. Bush wollen Hilfszusagen vom Kampf gegen die Korruption abhängig machen.

Schröder rechnete trotz Streitigkeiten bis zuletzt mit einem Kompromiss bei der Afrika-Hilfe. In einem Beitrag für den «Tagesspiegel» hatte der Kanzler zudem geschrieben, er werde sich für den vollständigen Schuldenerlass für die ärmsten Länder Afrikas einsetzen. «Dieser Erlass bleibt an gute Regierungsführung als Voraussetzung gebunden, denn nur so ist sichergestellt, dass der Schuldenerlass auch wirklich der Überwindung von Hunger und Armut dient», machte der Kanzler klar. Für die betroffenen Staaten gehe es um rund 56 Milliarden US-Dollar zusätzlicher Entlastung.

US-Präsident Bush ging in die selbe Richtung wie Schröder. Rechtsstaatliche Länder, in denen die Hilfe der Bevölkerung zu Gute käme, müssten belohnt werden, sagte Bush in Marienborg bei Kopenhagen nach einem Treffen mit dem dänischen Ministerpräsidenten Anders Fogh Rasmussen. Bush, der Mittwoch seinen 59. Geburtstag feierte, war vor dem Gipfel zu einem Kurzbesuch in Dänemark.

EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso forderte auch von den USA, die Hilfe für die armen afrikanischen Ländern bis 2010 auf schätzungsweise 50 Milliarden Euro zu verdoppeln. Barroso nannte die zusätzlichen Handelshilfen wichtig, da viele Länder ihre Chancen auf den Märkten gar nicht nutzen könnten. Vielfach genügen die Produkte nicht den Qualitätsvorschriften der EU.

UN-Generalsekretär Kofi Annan ist zuversichtlich, dass die G8-Staaten den ärmsten Ländern helfen werden. In einem Beitrag für das «Handelsblatt» (Donnerstagausgabe) begrüßte er, dass Afrika der Schwerpunkt des G8-Gipfels sei.

Zur Diskussion um eine Erweiterung der G8 um aufstrebende Länder wie China oder Indien sagte Barroso in einem Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur dpa, er halte das derzeit für keine gute Idee. «Die G8 sollten die Aufgabe weiter darin sehen, die wichtigsten Probleme pragmatisch anzupacken», sagte er.

An diesem Donnerstag stoßen zur G8-Gipfelrunde die Staats- und Regierungschefs aus China, Indien, Mexiko, Südafrika und Brasilien. Bei den ersten Arbeitssitzungen stehen die Weltwirtschaft und der Klimawandel, wo es ebenfalls Streit zwischen der EU und den USA gibt, auf der Tagesordnung. Außerdem geht es am Donnerstag auch um außenpolitische Fragen. (tso)

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