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Gaddafis Triumph

© dpa

Gaddafi-Besuch: Ein Hauch von Orient in Paris

Er benimmt sich wie eine Filmdiva - Kritik ficht ihn nicht an: Der selbst ernannte libysche Revolutionsführer Muammar al Gaddafi ist nicht in Frankreich um zu diskutieren, sondern um Geschäfte zu machen. Seinen Hofstaat hat er immer dabei, ebenso wie seine gewohnte Unterkunft.

Wenn der libysche Staatschef Muammar al Gaddafi das Ausland bereist, verzichtet er nicht auf seinen gewohnten Standard. Vor dem noblen Hotel Marigny in Paris, dem Gästehaus der französischen Regierung, steht daher in diesen Tagen ein großes, schwarzes Zelt. Gaffer sind unerwünscht. Das Gelände ist abgeriegelt, Polizisten fordern neugierige Passanten nachdrücklich zum Weitergehen auf. Ein roter Teppich leitet vom Zelt um einen Brunnen herum zum Eingang des Hotels.

Gaddafi kann sich in Paris wie zu Hause fühlen. Zwar wird sein Zelt nicht wie sonst üblich von der Klimaanlage gekühlt, sondern geheizt. Darüber hinaus wird es dem Revolutionsführer, der sich seit fast 40 Jahren an der Macht hält, an nichts fehlen. Rund 400 Begleiter umfasst seine Entourage beim Besuch in der französischen Hauptstadt. Unter ihnen drei seiner acht Kinder, der libysche Geheimdienstschef Moussa Koussa und Gaddafis persönlicher Koch.

Kriegsspielzeug auf dem Wunschzettel

Schlafen wird Gaddafi nicht in seinem Zelt. Aber er nutzt es, um standesgemäß Hof zu halten und Verträge zu unterzeichnen. Und genau deswegen ist Gaddafi nach Paris gekommen. Libyen ist ein reiches Land: Pro Tag fließen nach Angaben des staatlichen Ölkonzerns National Oil Corp. rund 135 Millionen Dollar aus Ölexporten in die Staatskassen.

Immerhin zehn Milliarden Dollar will Gaddafi nun in Frankreich lassen. Unter anderem stünden 14 Kampfflugzeuge vom Typ Rafale, 35 Militärhubschrauber und sechs Kriegsschiffe auf dem Wunschzettel des Diktators, berichtet die französische Zeitung „Le Figaro“. Außerdem soll Frankreich 21 Airbus-Flugzeuge und mindestens ein Atomkraftwerk zur Entsalzung von Meerwasser liefern.

Gaddafi scheint seinen Besuch in Paris zu genießen und sonnt sich in seinem Glanz: Zu seinem ersten Treffen mit dem französischen Präsidenten Nikolas Sarkozy kommt er sogleich 35 Minuten zu spät. Er reckt die Faust im Triumph, als sei der Besuch in Paris ein lang gehegtes und nun erreichtes Ziel. Die Dauer seines Besuchs hat er von ursprünglich drei Tagen auf sechs verlängert.

Nutzloses Öl

Begeistert sind längst nicht alle von Gaddafis Dauer-Besuch in der französischen Hauptstadt. Yama Rade, die aus dem Senegal stammende Staatssekretärin für Menschenrechte, beschwerte sich im Interview mit der Tageszeitung „Le Parisien“: Gaddafi müsse begreifen, „dass unser Land kein Fußabtreter ist, auf dem ein Führer, ob Terrorist oder nicht, seine Füße vom Blut der Verbrechen reinigen kann.“ Auch Frankreichs Außenminister Bernard Kouchner übt deutliche Zurückhaltung: Ebenso wie seine Staatssekretärin blieb auch er dem festlichen Dinner fern, das Sarkozy am Montagabend zu Ehren seines Gastes im Elyssée-Palast arrangiert hatte.

Über Jahre soll Gaddafi bedeutender Finanzier des internationalen Terrorismus gewesen sein. Doch 1999, von den Sanktionen gegen das Land ausgelaugt, kam die Wende: Gaddafi bekannte sich zur Schuld Libyens an dem Flugzeugattentat über dem schottischen Lockerbie von 1988, bei dem 270 Menschen starben. Die Hinterbliebenen der Opfer erhielten hohe Entschädigungen. Ein Jahr später trat Gaddafi als Vermittler um das Geiseldrama auf der philippinischen Insel Jolo auf und konnte so nach und nach die außenpolitische Isolation Libyens aufbrechen. Was schließlich nutzt alles Öl und Gold, wenn offiziell niemand mit dem Staat Geschäfte macht?

Außen hui, innen pfui

Es ist eine Gratwanderung, die Gaddafi versucht: Zwar gilt er außenpolitisch als rehabilitiert, doch innenpolitisch liegt im Wüstenstaat einiges im Argen. „Es gibt eigentlich nichts, das wir als gut bezeichnen können“, erklärt Anita Hoch von Amnesty Internatiol. Die Menschenrechtsorganisation kritisiert, immer noch werde in Libyen gefoltert und misshandelt, es gebe keine unabhängige Justiz, keinerlei Presse- und Meinungsfreiheit und es herrsche Willkür gegenüber Flüchtlingen und Migranten, Oppositionelle würden verschleppt oder grundlos verhaftet.

Gaddafis Wahrnehmung ist derweil eine andere als die der Kritiker. Als Sarkozy gestern öffentlich verkündete, er habe von Gaddafi Fortschritte im Bereich der Menschenrechte verlangt, dementierte dieser, überhaupt darüber gesprochen zu haben. Im Interview mit dem französischen Sender France 2 sagte Gaddafi, es gebe keinen einzigen politischen Gefangenen in Libyen. In Bezug auf die Flugzeugattentate erklärte er, Libyen habe niemals terroristische Akte begangen, es habe sich um Einzeltaten gehandelt. Es ist Glamour, den Gaddafi in Frankreich sucht, keine Kritik.  

Nicole Meßmer

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