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Politik: Ganz entspannt Richtung Reform

In Neuhardenberg zeichnet sich das Vorziehen der dritten Steuerstufe ab. Obwohl die Länder opponieren

Von Antje Sirleschtov

Die Botschaft von Neuhardenberg ist klar: Einigkeit und Zuversicht wollen die Bundesregierung und ihre rot-grüne Fraktion nach außen tragen. Dazu hat der Bundeskanzler sein Kabinett und die Fraktionsspitzen für drei Tage ins brandenburgische Schloss Neuhardenberg eingeladen. Und diese Hoffnung soll auch erfüllt werden. Die Gespräche seit Freitagabend, sagte Familienministerin Renate Schmidt (SPD) am Sonnabend, seien „so konstruktiv gewesen, dass wir darüber nachdenken, aus dieser Klausur eine Tradition zu machen“. Ein Eindruck, den auch die grüne Fraktionschefin Christa Sager bestätigte. Man arbeite „sehr konzentriert und sehr einigungsorientiert, um die schwierigen Aufgaben zu lösen“.

Bei der ersten Klausurtagung einer kompletten Bundesregierung seit Jahrzehnten will diese vor allem herausfinden, wie man dem am Boden liegenden Wirtschaftswachstum auf die Beine helfen kann. Hans Eichels Haushaltsentwurf, dem Kritiker auch am Sonnabend wieder vorwarfen, er sei voller unseriöser Luftbuchungen, damit er überhaupt den Anforderungen der Verfassung genügt, wurde am Sonnabend von den Kabinettsmitgliedern gelobt. Die Vorlage des Finanzministers „zeigt die Philosophie unseres Handelns“, sagte Verbraucherministerin Renate Künast nach der gut vierstündigen Haushaltsdebatte im Schloss. „Alte Zöpfe abschneiden, damit mehr Freiheit für Investitionen in die Zukunft entsteht“. Ganz praktisch bedeutet das wohl, dass Eichel in seinen Plänen bestätigt wurde, eine ganze Reihe von Subventionen abzubauen, von der Eigenheimzulage bis zur Pendlerpauschale. Das Bild vom „Spar-uns-nicht-kaputt-Hans“ will die Koalition aber offenbar verdrängen.

Denn ohne den Finanzminister wird es auch keine vorgezogene Steuerreform mit höheren Schulden geben. Eichel selbst hatte darauf gedrungen, dass ihm die eigenen Kollegen nach dem Steuervergünstigungsabbaugesetz nun nicht auch noch den Etatentwurf zerreden. Es soll sie also wirklich geben, diese Steuerreform, die die deutschen Steuerzahler von Januar an nicht nur um sieben, sondern um 25 Milliarden Euro reicher machen soll. Auch wenn die Entscheidung erst am Sonntag getroffen werden soll, zu klar waren die Signale, die aus dem Verhandlungssaal drangen. Sie lauten sinngemäß: Der Haushalt muss im Prinzip bestätigt werden. Und vor der nächsten Entscheidung zur Umsetzung der Agenda 2010 darf sich keiner drücken. Dann wird investiert, auch wenn der Schuldenberg höher wird – eine Geldspritze für den Konsum, mehr Investitionsmittel für die Gemeinden. Dass EU-Kommissionschef Romano Prodi die Deutschen schon an das Maastricht-Kriterium erinnert, berührt das Kabinett erkennbar nicht. Der luxemburgische Regierungschef Jean-Claude Junker, erinnerte sich Renate Künast an die Gespräche am Freitag, habe die Bundesregierung aufgefordert, etwas gegen die Larmoyanz in Deutschland zu tun. Die deutsche Rolle in Europa zu erkennen und mit mutigen Entscheidungen den ganzen Kontinent aus der wirtschaftlichen Stagnation zu ziehen.

Äußerlich völlig unbeeindruckt zeigt sich die Regierung auch vom Protest der Opposition gegen eine mit neuen Schulden bezahlte Steuerreform. Von CDU-Chefin Angela Merkel bis CSU-Chef Edmund Stoiber, vom Finanzexperten Friedrich Merz bis zu den CDU-Länderchefs herrscht Einigkeit, dass man eine solche Reform nicht mitmachen wolle. Stoiber kündigte seinerseits an, dass er ab Herbst – dann als Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz – ein Reformkonzept initiieren wolle. Aber die Einwände kommen nicht nur vom politischen Gegner. Nordrhein-Westfalens Finanzminister Jochen Dieckmann (SPD) schloss sich dem Ruf anderer Länder nach einem Ausgleich an: Für den Bundeshaushalt sei der Ausfall vielleicht verkraftbar, für Länder und Gemeinden nicht. Aus dem gleichen Grund hält auch ein Experte wie Rüdiger Pohl vom Institut für Wirtschaftsforschung (IWH) in Halle ein Vorziehen der Steuerreformstufe 2005 auf das kommende Jahr für kontraproduktiv.

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