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Im Freudentaumel. In Zagreb feiern hunderte Kroaten die Freisprüche in Den Haag.

© dapd

Balkankriege: Ganz Kroatien fühlt sich freigesprochen

Das UN-Kriegsverbrechertribunal kippt die Urteile gegen die Ex-Generäle Gotovina und Markac. „Wir werden jetzt für immer glücklicher sein“, sagt der Anwalt Luka Topolnik. „Denn das Urteil zeigt, dass wir kein Verbrecherstaat sind. Es war ein Verteidigungskrieg.“

Ein Betrunkener tanzt eine kroatische Fahne in der Luft schwenkend vor dem riesigen Bildschirm auf dem Hauptplatz von Zagreb. Vor ihm auf der Leinwand sind kroatische Soldaten vor einer Karstlandschaft zu sehen, die offenbar vom heldenhaften Krieg erzählen. Davon ist aber nichts zu hören. Denn es ist sehr laut am Ban-Jelacic-Platz an diesem 16. November.

„Wir sind stolz, wir sind glücklich“, ist von allen Seiten zu hören. Der Platz ist kaum wiederzuerkennen. Wo sonst Marktfrauen in dicken Jacken und Kopftüchern Blumen verkaufen, marschieren nun hochgewachsene Männer in Uniformen mit grünen und roten Baretten, so als hätten sie gerade einen Krieg gewonnen. Passanten tragen kroatische Fahnen um die Schultern oder Gotovina-T-Shirts. An einer Bretterbude kann man sich in ein Gedenkbuch für die Generäle eintragen. Kerzen werden angezündet. Die Boulevardzeitung „24 Stunden“ hat eine Sonderausgabe gedruckt. „Helden“ wird da schlicht getitelt.

Kurz nachdem die beiden kroatischen Ex-Generäle Ante Gotovina und Mladen Markac am Freitag vom Den Haager Kriegsverbrechertribunal in einem Berufungsverfahren freigesprochen wurden, brach in vielen Städten Kroatiens Jubel aus. Die Menschen weinten, lagen sich in den Armen. Der Freispruch gilt hier als Freispruch für die gesamte Nation.

„Es ist ein historischer Tag“, sagt der ehemalige Soldat der vierten Brigade, der „Gotovina persönlich kennt“ und mit ihm gemeinsam vier Tage Anfang August 1995 bei der Operation Oluja gekämpft hat. „Als die Generäle im Gefängnis waren, war ich auch gefangen. Und jetzt, da sie frei sind, ist auch meine Seele frei“, sagt er und nimmt einen Schluck Bier.

Bei der Operation Oluja (Sturm) wurde jenes Drittel des kroatischen Staatsgebiets, das seit dem Krieg 1991 von serbischen Truppen besetzt war, durch das kroatische Militär zurückerobert. Während der Offensive wurden mehr als 300 serbische Zivilisten ermordet und rund 90 000 gewaltsam vertrieben. Der ehemalige Soldat, der seinen Namen nicht nennen will, gibt zu, dass es nach Oluja Verbrechen gegeben haben könnte. „Ich habe einiges gehört“, sagt er. „Aber da waren wir schon weg.“ Sein Sohn schreibt ihm eine SMS: „Wir fahren nach Pakoštane zum Feiern.“ Pakoštane ist der Geburtsort von Gotovina.

Präsident Ivo Josipovic betont, dass Kroatien einen „gerechten Verteidigungskrieg“ geführt habe. „Die Generäle haben acht Jahre unschuldig im Gefängnis verbracht“, sagt Josipovic. Als Oberbefehlshaber der Heeres bedanke er sich „für das Opfer“. Um einiges nüchterner reagierte Premier Zoran Milanovic. „Es handelt sich offenbar um zwei unschuldige Leute. Das heißt aber nicht, dass es keine Fehler in diesem Krieg gegeben hat, wofür der Staat Kroatien schuldig ist, aber nicht Gotovina und Markac“, sagte Milanovic.

Tatsächlich haben die Haager Berufungsrichter nicht gesagt, dass es während der Operation Oluja keine Kriegsverbrechen gab. Sie haben festgestellt, dass der Tatbestand der Bildung einer „gemeinsamen verbrecherischen Unternehmung“ zur dauerhaften und gewaltsamen Vertreibung der Serben aus der Krajina nicht nachgewiesen werden konnte. Ein zweiter wichtiger Punkt des Urteils betrifft den Artilleriebeschuss der Stadt Knin in der Krajina. Dieser sei nicht gesetzeswidrig gewesen, stellten die Richter fest. Mit einem ersten Urteil im April 2011 waren Gotovina und Markac wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen zu 24 und 18 Jahren Haft verurteilt worden.

Bereits kurz nach dem Urteilsspruch wurden die Generäle in Den Haag freigelassen und flogen Richtung Zagreb. „Wir werden jetzt für immer glücklicher sein“, sagt der Anwalt Luka Topolnik. „Denn das Urteil zeigt, dass wir kein Verbrecherstaat sind. Es war ein Verteidigungskrieg“, sagt der 37-Jährige. Und die Serben? „Wenn ich Serbe wäre, würde ich jetzt glauben, dass Europa uns nicht will.“

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