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Politik: Ganz oben - Vom zwanglosen Treffen zum Politik-Spektakel

Wenn sich im Juni die mächtigsten Politiker der Welt an der Ostsee treffen, ist das auch für Globalisierungskritiker ein Höhepunkt. Ihr Protest ist eingeplant und integriert Wie die G 8 entstanden, warum eine Erweiterung nicht in Sicht ist und was man von Heiligendamm erwarten kann

Berlin - Es begann als schlips- und zwangloses Treffen der sechs mächtigsten Männer der westlichen Welt, die sich zwar ab und zu trafen, aber nie genug Zeit hatten, sich offen und ungestört auszutauschen. Valéry Giscard d’Estaing und Helmut Schmidt hatten die Idee – vielleicht auch, weil sie sich erst fremd gewesen waren. „Dann wurde er zwei Tage, bevor ich ins Präsidentenamt gewählt wurde, zum Kanzler ernannt. Das schuf eine besondere Bindung zwischen uns“, sagte Giscard einmal.

Anderthalb Jahre nach der Amtsübernahme der beiden Politiker, im November 1975, kam der Weltwirtschaftsgipfel das erste Mal zusammen. Damals, auf Schloss Rambouillet, waren es noch die G 6: neben Giscard und Schmidt auch US-Präsident Gerald Ford sowie die Premierminister von Japan, Großbritannien und Italien, Takeo Miki, Harold Wilson und Aldo Moro. Es gab keine Tagesordnung, die Entwicklung der Weltwirtschaft war das Thema.

Ein Jahr später kam Kanada dazu, und dieses G-7-Format hielt recht lange. 1998 wurde Russland offizielles Mitglied des erlauchten Kreises, auch wenn es auf Finanzministerebene immer noch G-7- Treffen ohne russische Beteiligung gibt. Im vergangenen Jahr hatte Russland erstmals die Präsidentschaft inne, die mit dem Gipfel in St. Petersburg gekrönt wurde. In diesem Jahr ist Deutschland dran, im nächsten Japan und im übernächsten Italien.

Die Diskussion, ob das G-8-Format zeitgemäß ist, wird seit einigen Jahren geführt, denn China und Indien sind inzwischen gewichtigere Industrienationen als Italien und Kanada. „Irgendwann wird man China nicht umgehen können, es ist nur die Frage, wann“, sagte der G-8-Beauftragte von Bundeskanzlerin Angela Merkel, Bernd Pfaffenbach, im vergangenen Jahr. Der Zeitpunkt ist aber noch nicht gekommen: Eine Erweiterung sei „derzeit kein Thema“, heißt es aus deutschen Regierungskreisen. „Großbritannien steht allein. Bei allen anderen inklusive Deutschland ist ein Wille zur Erweiterung nicht erkennbar.“

Zuletzt hatte der scheidende britische Premierminister Tony Blair, für den Heiligendamm der Abschiedsgipfel wird, G 13 als Format vorgeschlagen, also die Aufnahme von China, Indien, Brasilien, Mexiko und Südafrika. Sein Vorschlag verhallte jedoch und wird offiziell nicht einmal diskutiert. Die Gegner weisen stets darauf hin, dass man dann auch gleich G 20 machen könnte: ein Format, das es bei den Finanzministern gibt und das die wichtigsten Schwellenländer einschließt. Von einer Wertegemeinschaft ist an diesem Punkt häufig auch die Rede, auch wenn Russland da vielleicht nicht ganz passt. Wie Deutschland stemmt sich Japan gegen eine Erweiterung des Kreises, so dass auch im nächsten Jahr nicht damit zu rechnen ist. Ohnehin werden alle Beschlüsse im Konsens gefasst, und der dürfte sich in dieser Frage nicht so bald komplett ins Gegenteil verkehren.

Dennoch sind die fünf großen Schwellenländer mit ihren Staats- und Regierungschefs auch in Heiligendamm vertreten: bei einem sogenannten Outreach-Treffen – am Katzentisch also. Einen solchen Outreach gibt es auch für afrikanische Staats- und Regierungschefs, weil der Nachbarkontinent Europas diesmal erneut im Fokus steht. Das Thema hat Merkel forciert, ohnehin müssen aber die beim vorletzten G-8-Gipfel im schottischen Gleneagles gemachten Hilfszusagen überprüft werden. Absehbar ist, dass eine Reihe von Mitgliedsnationen hinterherhinken werden. Das andere Großthema ist der Klimaschutz, das die deutsche Seite als „eine der härtesten Verhandlungsfronten“ beschreibt. Vor allem die USA bremsen die Versuche, quantitative Ziele für die Reduktion des CO2 festzulegen.

Ähnlich ist es bei der fehlenden Transparenz der Hedgefonds, die von der deutschen Seite nun schon zum wiederholten Mal thematisiert wird. Harte Fakten wird es dazu in Heiligendamm nicht geben: „Wir werden keine scharfen Waffen einsetzen“, verlautet aus Regierungskreisen. Es wird also bei Appellen an die von angelsächsischen Unternehmen geprägte Branche bleiben, die nach EU-Angaben weltweit 1400 Milliarden Dollar kontrolliert.

Nun ist es nicht so, dass die acht Staats- und Regierungschefs sich an einen großen runden Tisch setzen und ergebnisoffen über Afrika, Klimaschutz und Hedgefonds diskutieren. Seit Monaten haben ihre sogenannten „Sherpas“, benannt nach den tibetischen Führern zu den Gipfeln des Himalaya, Dokumente produziert und um kleinste Nuancen gerungen. Beim Klimaschutz etwa steht Deutschland mit seiner Ablehnung der Atomkraft ziemlich allein, darf aber nicht brüskiert werden. Im Abschlussdokument wird sich eine weichgespülte Formulierung finden, mit der alle leben können.

Häufig ist aber die ganze Planung Makulatur – dann werden die Dokumente eiligst durchgewunken, weil es Wichtigeres gibt. Beim Gipfel von Gleneagles vor zwei Jahren war das der Terroranschlag in London, bei dem 56 Menschen getötet wurden. Und Genua 2001 wird als der Gipfel in Erinnerung bleiben, bei dem ein Demonstrant durch den Kopfschuss eines Carabiniere getötet wurde.

Am Abend des 6. Juni beginnt der Gipfel von Heiligendamm, wenn die Bundeskanzlerin ihre Amtskollegen und deren Gattinnen zu einem Empfang und einem Abendessen lädt. Von der Zwanglosigkeit der frühen Jahre wird nichts mehr zu spüren sein. Eines ist sicher: Am 8. Juni um 15 Uhr werden auf einer gemeinsamen Pressekonferenz große Erfolge verkündet. Dann zieht die Karawane weiter. Das nächste Mal ist Deutschland im Jahr 2015 dran.

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