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Politik: Gehorsam oder eigener Weg - Bischof Lehmann hält unterschiedliche Praxis in den 27 Diözesen offenbar für denkbar

Bischof Karl Lehmann wirkte entspannt und erleichtert. "Nach all den Schwierigkeiten und Attacken der letzten Wochen freue ich mich, dass ich direkt im ersten Wahlgang gewählt worden bin", sagte der alte und neue Vorsitzende der deutschen Bischofskonferenz unmittelbar nach dem Votum seiner Amtsbrüder.

Bischof Karl Lehmann wirkte entspannt und erleichtert. "Nach all den Schwierigkeiten und Attacken der letzten Wochen freue ich mich, dass ich direkt im ersten Wahlgang gewählt worden bin", sagte der alte und neue Vorsitzende der deutschen Bischofskonferenz unmittelbar nach dem Votum seiner Amtsbrüder. Mehr als zwei Drittel der katholischen Oberhirten haben am Dienstag auf der Herbstvollversammlung der Konferenz in Fulda für den Mainzer Bischof gestimmt. Nach der Niederlage, die konservative Gegner Lehmann in der vergangenen Woche bei der Schwangerenberatung zugefügt hatten, war ein solch deutliches Votum kaum erwartet worden.

Mit der überwältigenden Unterstützung im Rücken kann Lehmann nun eine der schwierigsten Krisen des deutschen Episkopats meistern. Der drohende Ausstieg aus dem staatlichen Beratungssystem für Schwangere sei kaum mehr abzuwenden, letztlich aber doch eine Gewissensfrage jedes einzelnen Bischofs, machte er klar. "Jetzt ist die Stunde des einzelnen Bischofs", sagte Lehmann. Obwohl er am Morgen in seiner Predigt die Einheit der Kirche beschworen hatte und mittags aus dem jüngsten Papstbrief die Bitte um Einmütigkeit zitierte, hält Lehmann eine unterschiedliche Praxis in den 27 Diözesen offenbar für denkbar.

Viele Beobachter rechnen damit, dass sich der eine oder andere Bischof der päpstlichen Anordnung offen widersetzen wird. Vor allem für den Trierer Oberhirten Hermann Josef Spital kommt ein Ausstieg aus dem staatlichen System offenbar nicht in Frage. Seinen vorzeitigen Rücktritt für diesen Fall hatte der 73-Jährige aber dem Vernehmen nach ausgeschlossen. Dies könnte indes für manchen Amtsbruder wie etwa den Regensburger Manfred Müller ein Ausweg aus der Gewissensqual sein.

Im Vorfeld hatten sich unter anderen auch Franz Kamphaus (Limburg), Franz-Josef Bode (Osnabrück) und Joachim Wanke (Erfurt) eindringlich für den Verbleib im System ausgesprochen.

Viele Bischöfe in Deutschland ärgert es, dass der Vatikan gerade in dem Land, das wie kaum ein anderes den Lebensschutz ungeborener Kinder gesetzlich verankert hat, ein Exempel gegen die Abtreibung statuiert. Die Kirche soll sich jetzt aus der Umsetzung einer Gesetzesregelung verabschieden, die sie selbst mit vorangebracht hat. Die radikalen Lebensschützer hinter Erzbischof Johannes Dyba (Fulda) und Kardinal Joachim Meisner (München) haben sich damit offenbar durchgesetzt. Mit ihrem Kampf für eine Trennung von (heiliger) Kirche und (unheiligem) Staat gingen sie ungewollt eine Allianz mit radikal antikirchlichen Kräften ein, die eine gesellschaftliche Entmachtung der Kirche verlangen.

Der mühsam ausgehandelte Parteienkompromiss von 1995 sieht vor, dass eine Abtreibung in den ersten drei Monaten der Schwangerschaft straflos bleibt, wenn eine Frau mit einem Beratungsschein eine Schwangerenkonfliktberatung nachweisen kann. Nach dem Gesetz müssen die Bundesländer eine ausreichende Anzahl von "wohnortnahen" Beratungsstellen gewährleisten; der Richtwert liegt bei einer solchen Einrichtung pro 40 000 Einwohner. Bundesweit befindet sich rund jede sechste der 1685 Beratungsstellen in katholischer Trägerschaft. In manchen Regionen, etwa in ländlichen Teilen Bayerns, liegt dieser Anteil sogar bei rund einem Drittel.

"Ein Ausstieg der katholischen Kirche würde die Länder und den Gesetzgeber in große Bedrängnis bringen", glaubt Annelie Windheuser, Generalsekretärin des Sozialdienstes katholischer Frauen (SkF): "Es würde eine Lücke entstehen, die schwer zu füllen ist." Vor allem für die betroffenen Frauen würde sich die Lage verschlechtern, mahnt Caritas-Sprecher Thomas Broch: "Die Beratungsstellen aller Dienste sind schon heute überlastet."

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