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Politik: "Geld darf die Debatte nicht allein bestimmen" - Experte Hans-Dieter Lemke über Reformen und Öffentlichkeit

Hans Dieter Lemke (64) arbeitet in der Stiftung Wissenschaft und Politik. Zuvor war er 31 Jahre Soldat bei der Bundeswehr.

Hans Dieter Lemke (64) arbeitet in der Stiftung Wissenschaft und Politik. Zuvor war er 31 Jahre Soldat bei der Bundeswehr.

Die Armee soll kleiner, aber die Wehrpflicht erhalten bleiben. Warum nicht gleich eine Freiwilligenarmee?

Es gibt viele gute Gründe, die Wehrpflicht beizubehalten: der Freiwilligennachwuches, die engere Anbindung an die Gesellschaft und der Zivildienst.

Ist eine Freiwilligenarmee ökonomischer?

Das hängt davon ab, wofür man meint, dass wir die Bundeswehr brauchen. Zwei Zahlen sind für diese Frage wichtig: Wie viele Soldaten wollen wir gegebenenfalls für die Verteidigung Mitteleuropas bereitstellen. Und: Wieviele Soldaten wollen wir für die Einsätze im Rahmen von Krisen- und Konfliktbewältigung einsetzen? Diese Zahlen müssten politisch vorgegeben werden, sie erlauben es, zu bestimmen, wie stark die Armee sein soll und wie sie zusammengesetzt sein muss. So weiß man auch, ob man die Wehrpflicht braucht oder nicht. Unter bestimmten Bedingungen können wir auf die Wehrpflicht verzichten, zum Beispiel, wenn der Verteidigungsumfang nicht sehr hoch sein soll und niedriger sein kann als bisher. Dann kämen wir ohne Wehrpflicht aus und die nötige Freiwilligenarmee wäre billiger.

Das Darmstädter Signal, eine Gruppe von Zeit- und Berufssoldaten, hält den aktuellen Etat für die Bundeswehr sogar für zu hoch, weil der Zwang für Reformen noch nicht groß genug sei.

Ich teile dieses Argument nicht. Dass die Bundeswehr reformiert werden muss, hat sich nun wirklich herumgesprochen. Reformen aber sind teuer. Wir brauchen eine Modernisierung der Ausrüstung, zudem die Verstärkung derjenigen Kräfte, die Krisenreaktionskräfte genannt werden. Wenn wir diese Aufgaben erfüllen wollen, kostet die Reform viel Geld. Es ist also nicht daran zu denken, den Etat zu belassen wie er heute ist, geschweige denn abzusenken.

Wird nicht viel zu sehr über Strukturen anstatt über die neuen Aufgaben der Bundeswehr gesprochen?

Ich denke ja. Denn bevor man eine Reform anfangen kann, muss man genau wissen, wofür man sie macht. Deswegen habe ich von den beiden wichtigen Zahlen gesprochen. Die Debatte läuft falsch herum, wenn sie vorrangig vom Geld bestimmt wird. Die von mir genannten Fragen scheinen mir zu kurz zu kommen.

Hätte die Kommission aus Transparenzgründen nicht öffentlich tagen sollen?

Es gibt gute Gründe dafür, dass man der Kommission Verschwiegenheit auferlegt hat, so konnte sie unbeeinflusst arbeiten. Andererseits geht die Bundeswehr alle an. Da wäre es nützlich gewesen, wenn die Diskussion wie in England von Anfang an in der öffentlichkeit geführt worden wäre. Aber es geht nicht nur um die Öffentlichkeit, auch die Abgeordneten im Parlament, die ja darüber entscheiden, sind an der Diskussion meines Erachtens nicht genügend beteiligt worden. Ich frage mich, wie man diese notwendige Diskussion noch bis zur Sommerpause nachholen will. Das Interview führte Armin Lehmann

Die Armee soll kleiner[aber die Wehrpflicht erhal]

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