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Politik: Gencheck gegen Risiko

Embryonen ohne Brustkrebsanlage eingepflanzt

Pünktlich zu Weihnachten soll in Großbritannien ein Kind geboren werden, das von der familiären Anlage zu Brustkrebs verschont bleibt. Die Debatte über Segen und Fluch der frühen Gentests wird dadurch neu aufflammen.

Im Londoner University College Hospital soll in wenigen Tagen ein Kind geboren werden, dem Eltern und Ärzte es ersparen wollen, die familiäre Bürde eines deutlich erhöhten Brustkrebsrisikos zu tragen. Dafür haben sie den Weg über eine In-vitro-Fertilisation (IVF) und eine genetische Untersuchung der im Reagenzglas erzeugten Embryonen genommen.

Wie die Klinik berichtete, ist bei den Frauen der Familie des Kindsvaters über Generationen hinweg immer wieder in jungen Jahren Brustkrebs aufgetreten, weil sie Trägerinnen des Brustkrebs- Gens BRCA 1 waren. Im konkreten Fall haben die Eltern sich für eine künstliche Befruchtung entschieden. Dabei wurden elf Embryonen erzeugt. Bei der genetischen Untersuchung vor der Einpflanzung habe sich gezeigt, dass sechs Embryonen das veränderte Gen trugen, berichtete die Klinik. Zwei der nicht betroffenen befruchteten Eizellen seien in die Gebärmutter der Frau verpflanzt worden, wo nur einer sich weiterentwickelt habe.

Bei der Präimplantationsdiagnostik (PID), die 1990 erstmals in England angewandt wurde, werden einzelne Zellen von frühen Embryonen etwa drei Tage nach einer eigens zu diesem Zweck angesetzten In-Vitro-Befruchtung und vor ihrer Einpflanzung (Implantation) gezielt auf schwere genetische Erkrankungen untersucht. Hier verbinden sich also Methoden der modernen Fortpflanzungsmedizin mit denen der Humangenetik. Die PID wird in Deutschland nicht angewandt, nach mehrheitlicher Expertenmeinung ist sie mit dem Embryonenschutzgesetz nicht vereinbar. In Großbritannien dagegen gilt seit 1990 ein Gesetz, das Embryonen erst ab dem 14. Tag nach der Verschmelzung von Ei- und Samenzelle schützt. Das Land ist eines von zehn europäischen Ländern, in denen der Gencheck an Embryonen heute praktiziert wird.

Bisher ging es bei der PID in Großbritannien jedoch nicht um die gezielte Auswahl von Embryonen ohne „Krebsgene“. Es waren anders gelagerte Situationen, die Eltern dazu bewogen, die Belastung einer künstlichen Befruchtung auf sich zu nehmen: Entweder wussten sie, dass sie selbst die Anlage für eine Krankheit in sich trugen, die beim Kind sicher ausbrechen würde, zum Beispiel Chorea Huntington. Weitaus umstrittener waren die Fälle, in denen die Eltern schon ein krankes Kind hatten, für das sie sich nun ein gesundes Geschwisterchen wünschten, das aufgrund passender Gewebemerkmale als Stammzellspender infrage kommen sollte. Ein solcher „Saviour Sibling“ für ein Kind mit der seltenen Fancomi-Anämie wurde erstmals im Jahr 2000 in den USA geboren.

Beim Brustkrebs- Gen BRCA 1 liegt der Fall anders: Für ein Mädchen, das Trägerin dieses Gens ist, liegt die Gefahr, später Brustkrebs zu bekommen, zwar bei mehr als 80 Prozent. Doch auch ohne das veränderte Gen hat eine Frau keine Garantie, nicht zu erkranken, denn BRCA 1 und 2 sind nur die Ursache für etwa fünf Prozent aller Brustkrebsfälle. Ein Junge ist zudem kaum selbst gefährdet, er würde als Gen-Träger nur das Risiko seiner künftigen Töchter erhöhen. Die Debatte um die „Designerbabys“ wird sich durch den neuen Fall deshalb sicher verschärfen – auch wenn es im liberalen Belgien schon mehrere Fälle von PID wegen des Brustkrebs-Gens gab, wie ein Gutachten der Friedrich-Ebert-Stiftung aus dem Jahr 2006 zeigt.

Deutsche Paare gehen oft den Umweg über eine Behandlung im Ausland. Die Hälfte der Frauen, die in Belgien eine PID machen lassen, kommt aus Deutschland, wo sie verboten, oder aus Frankreich, wo sie unter Auflagen erlaubt ist.

Adelheid Müller-Lissner

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