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Generalist oder Spezialist?: Vorsprung durch Taktik

Kaufmännische Berufe sind immer stärker auf bestimmte Branchen zugeschnitten. Doch was machen Studierende?

Mara6 klingt ziemlich verzweifelt. Demnächst hat sie das Abitur in der Tasche und ist nun auf der Suche nach dem passenden Studium. BWL will sie machen und in einem großen Unternehmen arbeiten, das auch im Ausland Filialen hat. Dass die Konkurrenz unter den Betriebswirten groß ist, weiß sie und fragt sich: Habe ich überhaupt Chancen, einen Job zu finden? Ähnlich ergeht es Rachel, Cautic oder Vulymuz. Das Web-Forum von studis-online.de ist voll von Diskussionen um das Studienfach. Ähnlich sieht es beim Online-Wiwi-Treff aus, auf dem Blog studidoo oder auf bwl24.net.

Kaum eine Studienrichtung ist so begehrt wie die Wirtschaftswissenschaften. Laut Statistischem Bundesamt haben sich allein 2012 mehr als 100 000 Abiturienten an Hochschulen für Betriebswirtschaft- oder Volkswirtschaftslehre eingeschrieben. Hinzu kommen diejenigen, die sich über Fernlernangebote oder Weiterbildungen einen kaufmännischen Abschluss sichern. Vom mittelständischen Betrieb bis zum internationalen Konzern, bei Banken, IT-Firmen oder Dienstleistern: Überall wird ihre Expertise gebraucht. Wie die Ratsuchenden im Online-Forum hoffen auch sie auf krisensichere Jobs mit guter Bezahlung.

Die Konkurrenz unter den Absolventen des Massenstudiums ist groß, trotz des hohen Bedarfs sind viele Stellen heiß umkämpft. Firmenchefs besetzen längst nicht nur die klassischen Disziplinen Rechnungswesen, Marketing, Personal oder Vertrieb mit Betriebswirten. Ohne kaufmännischen Abschluss können viele Jobs in der Verwaltung oder Projektplanung nicht mehr bewältigt werden. Jetzt sind Spezialisten gefragt. Personalchefs picken sich aus der Menge an Bewerbern zunehmend diejenigen heraus, die sich Fachwissen aus einer Branche oder für eine bestimmte Tätigkeit angeeignet haben.

„Spezialisierungen helfen uns immer dann, wenn es Stellen zu konkreten Themen zu besetzen gibt“, sagt Georg Diederichs, Personalleiter bei der GSW Immobilien AG in Berlin. Mit Spezialwissen für die Immobilienwirtschaft würden sich Mitarbeiter besonders gut für die Beratung von Kunden eignen. Da Absolventen mit diesem Schwerpunkt selten sind, bildet die GSW selbst Immobilienkaufleute aus und bietet außerdem den Bachelor of Arts mit der Fachrichtung Immobilienwirtschaft an.

Wann ist der beste Zeitpunkt, sich zu spezialisieren?

Dienstleister Gegenbauer hält nach wie vor an BWL-Generalisten fest. „Wichtig sind für uns vor allem das Auftreten, ein ausgewogenes und gutes Zeugnis sowie die persönliche Einschätzung in einem Gespräch“, sagt Gunther Thiele, Marketingleiter bei Gegenbauer. Die Vertiefung ist ein Bonus, aber kein Muss. Spezialwissen lernt der Betriebswirt auch in der Praxis.

Abiturientin Mara6 will in die Werbung oder in der Pressestelle eines Unternehmens arbeiten. „Soll ich Marketing als Vertiefung nehmen?“ postet sie im Forum. „Der Klassiker, ein typisches Mädchen-Fach“, heißt es spöttelnd in den Antworten. Die Einschätzung des Bundesverbands Deutscher Volks- und Betriebswirte gibt den Spöttern recht: Zwei Drittel aller Wirtschaftswissenschaftler entscheiden sich für eine Spezialisierung in Marketing, Vertrieb oder Rechnungswesen. Bei den Branchen liegen Banken und die Rechtsberatung vorn. Während sich Männer eher für Controlling entscheiden, studieren mehr Frauen den Schwerpunkt Marketing.

Doch wann ist der beste Zeitpunkt, sich zu spezialisieren? Am besten gleich im Bachelorstudium, raten Experten des Bundesverbands der Deutschen Volks- und Betriebswirte. Wer Mathematik mag, dem liegt der Schwerpunkt Rechnungswesen. Wer gerne Kundenkontakt hat, ist mit Vertriebswissen besser dran. Viele Hochschulen bieten bereits zu Studienbeginn Spezialisierungen an. Spätestens im Masterstudiengang gibt es Schwerpunkte wie Personalführung oder Management. Bei den Branchen ist es schwerer, sich zu entscheiden. Will ich für die Bahn arbeiten, für eine Klinik oder in einem Verlag? Langfristig macht die Spezialisierung zudem weniger flexibel.

Während die Studiengänge noch sehr am breiten Wirtschaftswissen hängen, hat sich in der klassischen kaufmännischen Ausbildung viel getan. Da Berufe immer spezialisierteres Fachwissen erfordern, gibt es kaum noch einen Lehrberuf, der zum Generalisten ausbildet. Stattdessen bekommen Azubis einen Grundstock an kaufmännischem Wissen und konzentrieren sich in der Praxis auf ihre Branche. So stellt ein Anbieter von Stadtrundfahrten lieber den Kaufmann für Tourismus an. Krankenhäuser suchen für ihre Verwaltung Kaufleute mit dem Schwerpunkt Gesundheitswesen, Fitnessstudios dagegen Sport- und Fitnesskaufleute.

Eine Umfrage der Industrie- und Handelskammer Berlin zeigt, dass immer mehr Firmenchefs bereit sind, Geld für die Weiterbildung ihrer Fachkräfte im kaufmännischen Bereich auszugeben. Besonders gefragt sind Zusatzqualifikationen wie Management und Personalführung für die Chefetage. Seit 2012 stieg die Zahl der spezialisierten Ausbildungen zum Fachwirt um mehr als vier Prozent.

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