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Politik: Genossen ohne Markt

SPD-Linke wollen weg vom strikten Sparkurs – und wettern gegen eine „diffuse Reformdebatte“ in der Partei

Von

Von Cordula Eubel

und Matthias Meisner

Die SPD-Linke dämpft das Reformfieber der eigenen Parteifreunde. An diesem Montag wird Kanzler Gerhard Schröder erstmals nach der verheerenden Niederlage seiner Partei bei den Wahlen in Hessen und Niedersachsen den Bundestagsabgeordneten in einer Fraktionssitzung Rede und Antwort stehen. Die zum linken Flügel gehörenden Genossen Andrea Nahles, Ulrich Mauerer, Niels Annen, Hermann Scheer und Sigrid Skarpelis-Sperk sind vorbereitet – und raten dem Kanzler und SPD-Chef, vom strikten Kurs der Haushaltskonsolidierung abzurücken und eine höhere Staatsverschuldung zuzulassen. „Sparen und Arbeitsplätze schaffen, beides geht in der jetzigen Situation nicht und ist angesichts von 4,6 Millionen Arbeitslosen auch nicht mehr vermittelbar“, heißt es in dem Papier „Zeit für einen Neuanfang“, das eine „neue Agenda sozialdemokratischer Regierungspolitik“ sein soll. Die in einem ersten Entwurf enthaltene Forderung, auch die Erhebung des Solidaritätszuschlages befristet auszusetzen, hatten die Linken nach internen Debatten wieder fallen gelassen.

Ohne Namen zu nennen, kritisieren die Unterzeichner eine „diffuse Reformdebatte“ in der eigenen Partei. Doch es ist klar, dass als Adressaten der Kritik vor allem Wirtschaftsminister Wolfgang Clement und Finanzminister Hans Eichel gemeint sind. „Reformen werden nicht durchsetzbar sein, wenn man seine Anhänger nicht zuvor von einer sozialen und gerechten Politik überzeugt hat“, sagt Juso-Chef Annen dem Tagesspiegel am Sonntag. Die Kritik der SPD-Linken ist eine Gratwanderung: Sie ahnen, dass sie mit ihrer Kritik nicht nur Clement und Eichel, sondern indirekt auch Schröder treffen. Von dem indes hoffen die Unterzeichner, dass er sich inhaltlich noch gar nicht auf eine Linie festgelegt hat. Tatsächlich muss sich etwa in der Debatte um eine Lockerung des Kündigungsschutzes noch zeigen, wo der SPD-Vorsitzende wirklich steht. Clement hatte die Lockerung ins Gespräch gebracht und bekommt jetzt dafür Beifall auch von den Grünen. Schröder will die Diskussion wenigstens zulassen. Die Linken aber sehen nur einen Versuch, die Arbeitnehmerrechte einzuschränken, ohne dass von den Arbeitgebern eine Gegenleistung erbracht wird. „Das nützt weder der Partei noch schafft es Arbeitsplätze“, sagt Annen und räumt ein, dass der Kanzler „an dieser Stelle mit zur Verunsicherung beigetragen hat“. SPD-Fraktionschef Franz Müntefering stärkt in diesem Fall die Linken. „Bestimmte Eckpunkte der Arbeitnehmerrechte sollten nicht in Frage gestellt werden, und das ist für die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft auch nicht erforderlich“, versichert er im neuen „Focus“.

Die Debatte über den künftigen Kurs der Sozialdemokratie jedenfalls ist erst so richtig eröffnet, und passend dazu drängen die SPD-Linken Gernot Erler und Michael Müller auf einen Sonderparteitag zum Reformkurs der Regierung. „Wir frustrieren die Parteimitglieder, wenn wir sie nicht einbeziehen“, begründet Erler in der „Bild am Sonntag“. Und auch Müller glaubt, mit einem Parteitag könne die Sozialdemokratie „aus der Defensive kommen“. Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Joachim Poß indes lehnt einen Sonderparteitag in den kommenden Wochen strikt ab. „In einer dermaßen weltpolitisch unsicheren Lage haben wir keine Zeit für Nabelschau und Reflexion über erfolglose Wahlkämpfe“, betont Poß im Gespräch mit dem Tagesspiegel am Sonntag. Die große Aufgabe der Reform der Sozialsysteme müsse sicherlich auch mit der gesamten Partei diskutiert werden. Aber ohne eine gründliche Vorbereitung mache ein Sonderparteitag zum jetzigen Zeitpunkt keinen Sinn. „Das wird nur die Vielstimmigkeit erhöhen“, beklagt Poß, „und nicht dazu beitragen, unsere Position zu klären.“

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