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Cicero-Urteil: Gericht stärkt Pressefreiheit

Das Bundesverfassungsgericht hat den Schutz der Presse gegen polizeiliche Durchsuchungen gestärkt. Eine Razzia bei der Zeitschrift "Cicero" im September 2005 hat die im Grundgesetz garantierte Pressefreiheit verletzt, entschied das Gericht.

Karlsruhe - Durchsuchungs- und Beschlagnahmeaktionen sind nach dem Urteil des Ersten Senats verfassungswidrig, wenn sie allein dem Zweck dienen, die "undichte Stelle" etwa in einer Behörde zu finden, über die vertrauliche Informationen an die Presse gelangt sind.

Die Bundesregierung kündigte nach der Urteilsverkündung an, die Regeln zum Schutz von Informanten der Medien den Karlsruher Vorgaben anzupassen. "Cicero"-Chefredakteur Wolfram Weimer begrüßte, dass nun Rechtssicherheit für investigative Journalisten herrsche: "Das ist ein Grundsatzurteil für die Pressefreiheit in Deutschland." Auch Journalistenorganisationen sowie die Zeitungsverleger äußerten sich positiv.

Die Richter gaben mit ihrem Urteil zwei Verfassungsbeschwerden Weimers statt. Bei der vom Amtsgericht Potsdam angeordneten Aktion bei "Cicero" waren Datenträger sichergestellt sowie eine Kopie einer Computerfestplatte gezogen worden. Auslöser waren Ermittlungen der Staatsanwaltschaft wegen eines im April 2005 veröffentlichten Artikels des Journalisten Bruno Schirra über den inzwischen getöteten Terroristen Abu Mussab al-Sarkawi. Darin wurde aus einem als "Verschlusssache" gekennzeichneten Bericht des Bundeskriminalamts zitiert.

Ermittlungen gegen Journalisten möglich

Nach den Worten der Karlsruher Richter sind Journalisten, die vertrauliche Informationen publizieren, zwar nicht von einer Strafbarkeit wegen Beihilfe zur Verletzung von Dienstgeheimnissen ausgenommen. Allein die Veröffentlichung eines Geheimdokuments rechtfertige aber weder die Durchsuchung von Redaktionsräumen oder Wohnungen noch die Beschlagnahme von Unterlagen. Andernfalls hätten es die Staatsanwälte in der Hand, den verfassungsrechtlich garantierten Informantenschutz zu unterlaufen, indem sie eigens zu diesem Zweck Ermittlungen gegen einen Journalisten einleiteten.

Erforderlich sind dem Urteil zufolge "spezifische tatsächliche Anhaltspunkte" dafür, dass der Informant die Veröffentlichung der Dienstgeheimnisse bezweckt habe. "Durchsuchungen und Beschlagnahmen in einem Ermittlungsverfahren gegen Presseangehörige sind verfassungsrechtlich unzulässig, wenn sie ausschließlich oder vorwiegend dem Zweck dienen, die Person eines Informanten zu ermitteln", sagte Gerichtspräsident Hans-Jürgen Papier bei der Urteilsverkündung.

Nach dem Worten von Justizstaatssekretär Lutz Diwell sollen die Vorschriften der Strafprozessordnung etwa zum Zeugnisverweigerungsrecht von Medienangehörigen noch in diesem Halbjahr "harmonisiert" werden. Jerzy Montag (Grüne) forderte einen stärkeren Schutz der Pressefreiheit. Die Grünen hätten dazu bereits vergangenes Jahr einen Gesetzentwurf vorgelegt.

Journalistenvereinigung "Netzwerk Recherche zufrieden"

Hans Leyendecker ("Süddeutsche Zeitung") von der Journalistenvereinigung "Netzwerk Recherche" zeigte sich mit dem Urteil zufrieden. Im Normalfall werde Journalisten damit ausreichend Schutz vor solchen staatsanwaltlichen Ermittlungen gewährt, die allein auf die Identifizierung vertraulicher Informanten abzielten. Die Staatsanwaltschaft Potsdam begrüßte es, dass durch den Karlsruher Spruch die bisher umstrittene Rechtslage geklärt sei.

In dem von Wolfgang Hoffmann-Riem formulierten Urteil bekräftigten die Verfassungsrichter, dass die Geheimhaltung der Informationsquellen von Journalisten unter dem besonderen Schutz des Grundgesetzes steht: "Dieser Schutz ist unentbehrlich, weil die Presse auf private Mitteilungen nicht verzichten kann, diese Informationsquelle aber nur dann ergiebig fließt, wenn sich der Informant grundsätzlich auf die Wahrung des Redaktionsgeheimnisses verlassen kann", heißt es in der Begründung. (tso/dpa)

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