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16 Jahre soll die Anonymität der Mutter gewährleistet werden, danach hat das Kind ein Anrecht darauf zu erfahren, wer die leibliche Mutter ist.

© dpa

Gesetzesentwurf: Krankenhäuser ermöglichen Frauen anonyme Geburten

Viele Krankenhäuser ermöglichen Frauen in Not anonyme Geburten. Das ist illegal, wird aber geduldet. Jetzt gibt es einen Gesetzentwurf, der diese Angebote regeln soll.

Am nächsten Mittwoch soll es im Kabinett eingebracht werden: das Gesetz zur Regelung der vertraulichen Geburt. Der Entwurf, der dem Tagesspiegel vorliegt, ist das Ergebnis monatelanger Beratungen zwischen zuständigen Bundesressorts, Bundesländern und den Koalitionsfraktionen. Sie haben sich jetzt auf ein Verfahren verständigt, das es Frauen künftig erlaubt, zwar nicht komplett anonym aber vertraulich in einem Krankenhaus zu entbinden.

Seit dreizehn Jahren bieten Kliniken in ganz Deutschland anonyme Geburten an. Darüber hinaus gibt es rund hundert Babyklappen, in denen Mütter ihr Kind einfach zurücklassen können. Das ist rechtswidrig. Daher wurde in der Vergangenheit mehrfach der Versuch unternommen, die anonyme Praxis zu legalisieren. Jeder Gesetzesentwurf scheiterte, denn Juristen verwiesen stets auf verfassungsrechtliche Hürden: Es ist ein Grundrecht, seine Herkunft zu kennen. Diese Hürde scheint der aktuelle Gesetzesentwurf zum ersten Mal zu nehmen. Der Regensburger Verfassungsrechtler Thorsten Kingreen, der in der Vergangenheit die anonyme Praxis wiederholt kritisiert hat, bezeichnete die Pläne der Regierung als „deutlichen Fortschritt“. Erstmals werde gesetzlich geregelt, dass die Anonymität der Mutter nicht dauerhaft sein könne.

Auch Christiane Woopen, Vorsitzende des Deutschen Ethikrates, begrüßte den vorliegenden Entwurf. Es werde ein niedrigschwelliges Angebot für Frauen geschaffen, gleichzeitig würden die Rechte des Kindes noch berücksichtigt. Der Ethikrat hatte sich bereits vor drei Jahren für eine vertrauliche Geburt ausgesprochen.

Das vorliegende „Gesetz zum Ausbau der Hilfen für Schwangere und zur Regelung der vertraulichen Geburt“ sieht vor, dass Frauen nach einer verpflichtenden Beratung vorübergehend anonym bleiben können: Sechzehn Jahre lang werden ihre Daten – die sie hinterlassen müssen – unter Verschluss gehalten. Erst mit seinem 16. Geburtstag erhält das Kind das Recht auf Einsichtnahme in seine Herkunftsakten. Nach der sogenannten Härtefallregelung hat die Mutter die Möglichkeit, auf eine dauerhafte Anonymität zu bestehen und die Akten für das Kind sperren zu lassen. Dieses Widerspruchsrecht sollen Frauen aber nicht direkt nach der Geburt des Kindes, sondern erst fünfzehn Jahre später erhalten. Dafür muss die Frau bei der Beratungsstelle schutzwürdige Belange erklären, die einer Offenlegung entgegenstehen. Dazu zählen Gefahr für Leib und Leben, Gesundheit oder persönliche Freiheit. Sollte das Kind trotz des Sperrvermerks auf einer Auskunft bestehen, muss das Familiengericht entscheiden, ob eine Notlage vorliegt, die eine dauerhafte Anonymität rechtfertigt. Diese Prüfung soll bei Wahrung der Anonymität der Frau durchgeführt werden.

Trotzdem will der Gesetzgeber Babyklappen und das Angebot der komplett anonymen Geburt, bei dem die Frau ohne Beratung einfach gehen kann, ausdrücklich weiter zulassen. Das bezeichnet Woopen als absurd: „Das widerspricht sogar dem vorliegenden Gesetzestext.“ Auch Kingreen kritisiert: Wer ernsthaft die vertrauliche Geburt einführen wolle, müsse die anonymen Angebote unterbinden. Das Gesetz laufe sonst ins Leere. „Jede Mutter, die die Beratung scheut, wird weiterhin ihr Kind einfach anonym zurücklassen.“

Die Babyklappen hatten im vergangenen Jahr für Schlagzeilen gesorgt, nachdem das Deutsche Jugendinstitut eine Studie vorgelegt hatte. Danach gibt es erhebliche Missstände: Von rund tausend Kindern, die seit 1999 anonym in Babyklappen oder Kliniken abgegeben wurden, sind hunderte den Jugendämtern überhaupt nicht bekannt. Es gibt keine Aufsicht über die anonymen Angebote, keine Dokumentationspflicht und keine einheitlichen Standards. Die Einrichtungen arbeiten ohne staatliche Kontrolle.

Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) hatte daraufhin angekündigt, die anonyme Praxis rechtlich verbindlich zu regeln. Das ist bei Babyklappen allerdings schwierig – sie verstoßen nach Auffassung von Juristen gegen eine Vielzahl von Rechtsvorschriften. Auch ein Missbrauch der Einrichtungen ist nicht zu verhindern. So kam es schon mehrfach vor, dass Kinder gegen den Willen der Mutter dort abgelegt wurden, auch mehrere Monate alte Kinder wurden anonym abgegeben.

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