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Politik: Gesundheit: Grüne: Medikamentenpass schadet nur

Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) stößt mit ihren Plänen zur Einführung eines Arzneimittelpasses auf Widerstand beim grünen Koalitionspartner. Verbraucherschützer warnten vor Datenmissbrauch und warfen Schmidt "oberflächlichen Aktionismus" als Reaktion auf den Skandal um den Cholesterin-Senker Lipobay vor.

Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) stößt mit ihren Plänen zur Einführung eines Arzneimittelpasses auf Widerstand beim grünen Koalitionspartner. Verbraucherschützer warnten vor Datenmissbrauch und warfen Schmidt "oberflächlichen Aktionismus" als Reaktion auf den Skandal um den Cholesterin-Senker Lipobay vor. Nach Ansicht der Grünen-Abgeordneten Cem Özdemir und Katrin Göring-Eckardt würde das Vorhaben "den Patienten im Ergebnis mehr schaden als nutzen". Unterstützung für den Pass, der Wechselwirkungen zwischen Arzneien verhindern soll, bekam Schmidt dagegen von Ärzteseite.

Nach Ansicht der Kritiker eröffnet ein elektronischer Pflichtpass Missbrauchsmöglichkeiten: So könnten Pharma-Industrie, Versicherungen und Arbeitgeber versuchen, die Informationen für ihre Zwecke zu bekommen. Über die gesammelten Informationen könne immer auf den Gesundheitszustand des Betroffenen geschlossen werden, warnte der Bundesdatenschutzbeauftragte Joachim Jacob.

Der Bundesverband der Verbraucherzentralen und die Patientenschutzvereinigung DGVP sprachen von "Aktionismus" und einem "Schnellschuss". Der Sprecher des Bundesverbandes, Thomas Isenberg, sagte, das Grundproblem sei, dass die Medikamente zu schnell auf den Markt kämen. Der Präsident der Patientenschutzvereinigung, Ekkehard Bahlo, warnte, ein Pass werde die Probleme nur "übertünchen". Statt dessen müssten die pharmakologischen Kenntnisse der Mediziner verbessert werden.

Özdemir als innenpolitischer Sprecher und Göring-Eckardt als gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion forderten die Bundesregierung auf, die Bedenken des Datenschutzbeauftragten "sehr ernst" zu nehmen. Arbeitgeber und Versicherungen seien aus wirtschaftlichen Interessen "brennend" an den Daten interessiert. Dabei seien "existenzielle bürgerrechtliche Fragen" berührt. Die Politiker forderten eine Diskussion über die freiwillige Einführung. Doch auch dabei müsse "zweifelsfrei festgelegt werden, wer Zugriff auf die Daten hat".

Der Vorsitzende des Vereins Demokratischer Ärztinnen und Ärzte, Winfried Beck, verspricht sich dagegen von dem Pass Fortschritte für die Sicherheit der Patienten. Jährlich würden 20 000 Menschen an den Folgen von Medikamenten sterben, sagte er dem Tagesspiegel. Der Pass könne helfen, dieses Problem zu lösen. "Die gesundheitlichen Interessen der Patienten sind stärker zu gewichten", sagte Beck. Datenschutzprobleme sehe er nicht.

Die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft räumte unterdessen ein, bereits im Juni eine Warnung vor dem Cholesterin-Senker Lipobay beschlossen, diese jedoch bislang nicht veröffentlicht zu haben. Der Vorsitzende der Kommission, Bruno Müller-Oerlinghausen, sagte der "Berliner Zeitung", die Warnung sei noch nicht im Deutschen Ärzteblatt veröffentlicht worden, da zunächst eine rechtliche Prüfung eingeleitet worden sei.

lha

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