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Gesundheitsreform: "Erhebliche Einwände"

Kaum hat die Koalition den Gesundheitsstreit publikumswirksam beigelegt, da hagelt es Kritik aus den eigenen Reihen. "Das letzte Wort ist noch nicht gesprochen", erklärt NRW-Sozialminister Laumann. Auch die SPD-Linke ist skeptisch.

Berlin - Gegen den Gesundheitskompromiss regt sich weiter Widerstand in Union und SPD. Die SPD-Linke Andrea Nahles kritisierte, das Ergebnis sei schlechter als die Eckpunkte vom Juli. Die Union habe eine kleine Kopfpauschale durchgesetzt, die besonders Geringverdiener treffe. Die Versicherten müssten deutlich höhere Beiträge und viele noch einen Zusatzbeitrag aufbringen, sagte Nahles der "Berliner Zeitung".

In der Union gab es unterschiedliche Stimmen. Nach einem Bericht der "Rheinischen Post" wurden in einer Telefonkonferenz der CDU/CSU-Fraktionsführung "zum Teil erhebliche Einwände" erhoben. CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer erwartet aber für den Kompromiss in Bundestag und Bundesrat "satte" Mehrheiten. Es seien noch Details zu klären, große Streitpunkte gebe es aber nicht mehr, sagte Ramsauer im Deutschlandradio Kultur.

Althaus ruft CDU-Ministerpräsidenten zu Geschlossenheit auf

Der nordrhein-westfälische Sozialminister Karl-Josef Laumann (CDU) kündigte im WDR5 an, dass sein Land sich den Kompromiss "genau anschauen" werde. "Da ist auch das letzte Wort sicherlich noch nicht gesprochen", sagte er. Der saarländische Ministerpräsident Peter Müller (CDU) nannte die Reform im Deutschlandfunk "erträglich". Sein thüringischer Amtskollege Dieter Althaus (CDU) rief im SWR die Unions-Regierungschefs auf, sich hinter den Gesundheitskompromiss zu stellen.

SPD-Präsidiumsmitglied Andrea Nahles sagte im RBB, die Vereinbarung enthalte Ungereimtheiten und soziale Schieflagen, die korrigiert werden müssten. Im Kompromiss fehle sozialdemokratisches Profil. Die Union habe es über den Druck ihrer Ministerpräsidenten geschafft, ihre Positionen durchzusetzen. Nahles kritisierte besonders die geplante einkommensunabhängige Zusatzprämie für die Versicherten von acht Euro. Durch diese "kleine Kopfpauschale" würden Geringverdiener über die Ein-Prozent-Grenze hinaus belastet.

Nahles: Union hat Interessen gut vertreten

Es sei dagegen nicht gelungen, die privaten Krankenversicherungen in den Gesundheitsfonds mit einzubeziehen, sagte Nahles. "Die privaten Krankenversicherungen können sich freuen, die Union hat ihre Interessen sehr gut vertreten."

Auch der frühere Chef der Barmer Ersatzkasse, Eckart Fiedler, kritisierte den pauschalen Zusatzbeitrag von acht Euro als sozial unausgewogen. Rentner mit 500 Euro im Monat bezahlten dann drei Euro mehr "als sie nach der Ein-Prozent-Regel müssten", sagte er der "Frankfurter Rundschau". "Drei Euro für diejenigen, die sowieso jeden Euro umdrehen müssen - das ist bitter." Fiedler, der im Gesundheitsstreit als Gutachter für die SPD fungierte, sprach von einem Zugeständnis an die Union. Deren Bemühen sei es immer gewesen, "die Stärkeren zu schützen".

AOK: Beiträge werden steigen

Auch der Chef der Deutschen Angestellten Krankenkasse (DAK), Herbert Rebscher, rechnet mit Nachbesserungen am Gesundheitskompromiss. Er könne sich nicht vorstellen, dass der Entwurf "das Parlament unverändert passieren wird", sagte er der "Berliner Zeitung". Eine Rücknahme der Pläne erwarte er aber nicht. "Der Kompromiss mag für die Koalition gut sein. Für das Gesundheitswesen ist er es nicht."

Auch die AOK Sachsen kritisierte den Kompromiss. Bei den beabsichtigten bundeseinheitlichen Beiträgen für die Versicherten werde man den bisher sehr günstigen Beitragssatz von 12,0 Prozent nicht mehr anbieten können, sagte AOK-Sprecher Heinz-Werner Raske. Er betonte: "Das ist für uns sehr, sehr bitter." Die AOK Sachsen bietet nach eigenen Angaben derzeit den günstigsten AOK-Tarif deutschlandweit an. (tso/ddp/AFP)

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