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Politik: Gesundheitsreform wird teuer

Das meint auch Finanzminister Steinbrück / 76,5-Milliarden-Last für Bundeshaushalt / Heute Abstimmung

Von Antje Sirleschtov

Berlin - Die Gesundheitsreform wird trotz boomender Konjunktur kurzfristig zu einem milliardenschweren Sparpaket und in spätestens zwei Jahren auch zu Steuererhöhungen führen. Davon gehen nicht nur die Finanzpolitiker von Koalition und Opposition im Bundestag aus. Damit rechnet auch Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD), wie ein Sprecher des Ministers dem Tagesspiegel am Donnerstag sagte. Der Bundestag will die Reform mit Koalitionsmehrheit am heutigen Freitag verabschieden.

Durch das Gesundheitsreformgesetz wird die Koalition den Bundeshaushalt insgesamt mit 76,5 Milliarden Euro belasten. Der entsprechende Bundeszuschuss an die gesetzlichen Krankenkassen (Zuschuss für gesamtgesellschaftliche Aufgaben) führt schon in diesem Jahr zu außerplanmäßigen Ausgaben für den Bundeshaushalt von einer Milliarde Euro. Im nächsten und übernächsten Jahr kostet er bisher nicht eingeplante 2,5 Milliarden Euro und wächst danach jährlich um 1,5 Milliarden Euro, bis er etwa 2016 rund 14 Milliarden Euro betragen wird.

Der Finanzminister geht davon aus, dass die Mehrbelastungen bis einschließlich 2009 mit Einsparungen aus dem laufenden Geschäft (rund 500 Millionen Euro), konjunkturbedingten Mehreinnahmen (rund eine Milliarde Euro) und ab 2008 mit einem zusätzlichen Sparpaket von einer Milliarde Euro finanziert werden können. Welche Ausgaben des Bundes dafür gekürzt werden, muss die Regierung noch in diesem Frühjahr konkret festlegen, wenn der Etatentwurf für das nächste Jahr erarbeitet wird.

Ebenfalls bis zum Sommer werden Union und SPD eine „strategische Diskussion“ über Steuererhöhungen ab dem Jahr 2010 führen müssen, sagte Steinbrücks Sprecher. Denn die dann jährlich um 1,5 Milliarden Euro anwachsenden Bundeszuschüsse an die Krankenkassen könnten „nicht dauerhaft“ aus dem Bundeshaushalt finanziert werden. Steinbrücks Linie für die Verhandlungen: Jede Steuererhöhung muss mit sinkenden Sozialversicherungsbeiträgen gekoppelt werden, damit es nicht dazu kommt, dass die Lasten für Wirtschaft und Arbeitnehmer steigen.

Die Grünen-Finanzexpertin Christine Scheel nannte es einen „Skandal“, dass die große Koalition mit dem Gesundheitsreformgesetz am Freitag eine Milliardenlast beschließen will, ohne die Steuerzahler über die Finanzierung aufzuklären. Union und SPD setzten dabei einzig und allein auf die boomende Konjunktur und die daraus sprudelnden Steuermehreinnahmen. Sollte die Wirtschaft in den kommenden Jahren nicht weiter mit Rekordwerten wachsen, werde es zu „deutlichen Steuererhöhungen“ kommen müssen, um den Bundeszuschuss an die Kassen zu finanzieren, sagte Scheel.

Auch Haushalts- und Finanzpolitiker von Union und SPD rechnen für das kommende Frühjahr mit schwierigen Etatverhandlungen. Und zwar nicht nur angesichts der Milliardenbelastungen aus der Gesundheitsreform. Koalitionsstreit droht auch, weil Finanzminister Steinbrück – im Gegensatz zur Union – im kommenden Jahr gegen das Gebot des Maastricht-Vertrages verstoßen will, demzufolge die Mitgliedsstaaten ihr strukturelles Staatsdefizit jährlich um 0,5 Prozent des Sozialproduktes senken müssen. Steinbrück begründet dies mit zu erwartenden Steuerausfällen von rund fünf Milliarden Euro wegen der geplanten Unternehmenssteuerreform. Die Union besteht derzeit auf weiterer Haushaltskonsolidierung und strebt eine Ende der Neuverschuldung – maastrichtkonform – für 2010 an. Um das erreichen zu können, muss der Finanzminister jedoch aus dem Bundeshaushalt für 2008 noch eine Lücke von rund zehn Milliarden Euro füllen.

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