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Politik: Geteiltes Echo in Chile - Selbst die Gegner des Gewaltherrschers wollen keine Verhandlung im Ausland

Eines hat General Augusto Pinochet auf seine alten Tage noch erreicht: Die Chilenen interessieren sich wieder für Politik. Und die lange totgeschwiegene Vergangenheit steht erstmals im Rampenlicht der Öffentlichkeit.

Eines hat General Augusto Pinochet auf seine alten Tage noch erreicht: Die Chilenen interessieren sich wieder für Politik. Und die lange totgeschwiegene Vergangenheit steht erstmals im Rampenlicht der Öffentlichkeit. Live konnten die Chilenen am Freitag morgen um sechs Uhr die Verkündung des Urteils über den greisen Ex-Diktator verfolgen, unter dessen Herrschaft von 1973 bis 1990 gemäß einem Bericht der chilenischen Regierung 3197 Menschen gestorben oder "verschwunden" sind. Der 83-jährige Pinochet, der in Chile noch immer einen Status als "Senator auf Lebenszeit" genießt, soll nach Meinung des Londoner Schiedsgerichts in Spanien wegen dem Befehl zur Folter politischer Gegner vor Gericht gestellt werden. Pinochet selbst nahm nicht an der Urteilsverkündung teil.

Das Urteil war allgemein erwartet worden. Dennoch waren die Reaktionen auf beiden Seiten heftig. Mit Wut und sogar Tränen nahmen etwa 200 Anhänger des Generals in der "Pinochet Stiftung" in der chilenischen Hauptstadt Santiago das Urteil auf. Sie hatten zu Ehren Pinochets die ganze Nacht vor der Stiftung Wache gehalten. "Jetzt ist es Zeit für die chilenische Regierung, London und Madrid unter Druck zu setzen und ihnen den prekären gesundheitlichen Zustand von General Pinochet begreiflich zu machen", so Jorge Prado, ein Direktor der Stiftung und früher Kabinettsmitglied unter Pinochet. Die chilenische Regierung hatte plädiert, Pinochet, der im letzten Monat zwei Herzanfälle hatte, aus humanitären Gründen nach Chile zurückzuschicken.

Das Andenland ist zutiefst gespalten. Pinochet hat noch immer viele Sympathisanten - diejenigen, die von seiner liberalen Wirtschaftspoltik profitierten und in den besseren Gegenden von Santiago ein ruhiges und versorgtes Leben führen. Selbst unter den Gegnern Pinochet findet sich eine große Mehrheit nationalistisch vereint in der Abneigung gegen ein ausländisches Gericht, das über einen Chilenen urteilt, egal wie schlimm sein Verbrechen war.

Diejenigen, die direkt unter Pinochet litten, Verwandte und Bekannte der Verschwundenen, begrüßen die Chance einer Strafe für den Diktator, der vor seinem Abtritt von der Macht eine Amnestie durchsetzen konnte, durch die ihm Straffreiheit gewährt wird. "Dies ist ein grosser Sieg", sagte Vivian Diaz, Präsidentin der Vereinigung der Verschwundenen. Doch Pinochets Anwälte werde vermutlich Revision gegen das Urteil einlegen, mit der Begründung, das die Verbrechen verjährt sind und das Spanien nicht das Recht habe, den General vor Gericht zu stellen. "Die Ereignisse in Chile haben nichts mit Spanien zu tun", so hieß es in einer Erklärung Pinochets nach dem Urteil. Das Verfahren kann sich Monate hinziehen und angesichts des schlechten Gesundheitszustands gehen viele davon aus, dass Pinochet das Ende des Tauziehens nicht erleben wird.

Anne Grüttner

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