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Update

Gewalt eskaliert weiter in Syrien: UN-Beobachtermission um 30 Tage verlängert

Syrien erlebt den blutigsten Tag seit Beginn des Aufstandes gegen Präsident Assad. Die UN zeigen sich weiterhin uneins, einigten sich aber am Freitag auf eine Verlängerung der Beobachtermission um 30 Tage.

Vor dem Beginn des islamischen Fastenmonats Ramadan hat die Gewalt in Syrien noch einmal zugenommen: Während eine diplomatische Lösung des Syrien-Konflikts in immer weitere Ferne zu rücken scheint, lieferten sich syrische Regierungstruppen und Oppositionelle erbitterte Kämpfe um die Hauptstadt Damaskus. Einige Rebellen feierten den Angriff auf das Machtzentrum von Präsident Baschar Assad und das Attentat auf seine Vertraute bereits als Anfang vom Ende des verhassten Regimes. Doch dessen Truppen eroberten am Freitag ein aufständisches Viertel der Stadt wieder zurück. Assad-Gegner überrannten indes mehrere Stützpunkte an der Grenze.

Aktivisten zufolge kamen am Vortag so viele Menschen ums Leben wie nie seit Beginn der Proteste vor mehr als einem Jahr: 310 Menschen starben am Donnerstag landesweit. Als viertes Mitglied des inneren Machtzirkels von Assad erlag der nationale Sicherheitschef General Hischam Ichtijar laut einem Bericht des staatlichen Fernsehens am Freitag den Verletzungen, die er bei dem Anschlag vom Mittwoch erlitten hatte.

Das staatliche syrische Fernsehen berichtete, ein aufständisches Viertel in der Hauptstadt Damaskus sei wieder vollständig unter Kontrolle der Regierungstruppen. Die Opposition bestätigte die Angaben. Die in London ansässige Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte erklärte am Freitag, Truppen des Regimes von Assad seien mit Panzern in das Stadtviertel Midan eingerückt. Der in Damaskus lebende Aktivist Chaled al Schami sagte der Nachrichtenagentur AP über das Internet, Aufständische hätten einen taktischen Rückzug ausgeführt, um der Zivilbevölkerung nach fünftägigen heftigen Kämpfen einen weiteren Beschuss zu ersparen.

Die in London ansässige Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte teilte am Freitag mit, mindestens 93 der am Vortag getöteten Menschen seien Regierungssoldaten. Den Örtlichen Koordinationskomitees zufolge starben am Donnerstag 217 Zivilisten.

Unterdessen hält Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière einen militärischen Einsatz ausländischer Streitkräfte in Syrien weiterhin für nicht sinnvoll. „Das Eingreifen von Außen in einen Häuserkampf ist so ungefähr das Aufwendigste, was es gibt und sehr verlustreich“, sagte der CDU-Politiker am Freitag im ARD-„Morgenmagazin“. Die Situation vor Ort ließe keine sinnvollen militärischen Interventionsmaßnahmen zu. Darüber hinaus sei man von einer entsprechenden UN-Resolution noch weit entfernt.

Video: Assad zeigte sich mittlerweile im Fernsehen:

Nach der Blockade einer neuen Syrien-Resolution durch Russland und China gehen die Bemühungen im UN-Sicherheitsrat um eine Verlängerung des am Freitag auslaufenden Mandats für die Beobachtermission in dem Land weiter. Der britische UN-Botschafter Mark Lyall Grant sagte, er habe einen neuen Resolutionsentwurf in Umlauf gebracht, der die Mission der unbewaffneten Beobachter ein letztes Mal um 30 weitere Tage verlängern würde. Die Beobachtermission soll laut einer Kopie des Resolutionsentwurfs, die der Nachrichtenagentur AP vorlag, nur fortgesetzt werden, wenn der UN-Sicherheitsrat bestätigt, dass die syrische Regierung Artillerie und schwere Waffen aus den Städten abgezogen und ihre Truppen in die Kasernen zurückbeordert hat.

Pakistan brachte am Donnerstag (Ortszeit) einen rivalisierenden Resolutionsentwurf ins Spiel, der eine Verlängerung der UN-Beobachtermission um 45 Tage vorsieht. Zudem wird darin die Möglichkeit einer weiteren Verlängerung des Mandats offen gehalten.

Der russische UN-Botschafter Witali Tschurkin gab sich nach Konsultationen im Sicherheitsrat am Abend (Ortszeit) sichtlich verärgert. In dem britischen Resolutionsentwurf sei die Fortsetzung der Beobachtermission an politische Bedingungen geknüpft, sagte er und kündigte Widerstand an. Sein Land wolle stattdessen den pakistanischen Entwurf unterstützen. Tschurkin rechnete für Freitagvormittag (Ortszeit) mit einer Abstimmung über beide Resolutionsentwürfe im Sicherheitsrat.

Angesichts Russlands erneuter Blockade im UN-Sicherheitsrat sprach sich das US-Repräsentantenhaus indes mit überwältigender Mehrheit gegen Geschäfte mit dem staatlichen russischen Waffenhändler Rosoboronexport aus.

Trotz all dieser diplomatischen Unstimmigkeiten einigte sich der UN-Sicherheitsrat am Freitag auf eine Verlängerung der Beobachtermission in Syrien um 30 Tage. Es soll die letzte Verlängerung sein.

Der Einsatz umfasst bis zu 300 unbewaffnete Militärbeobachter, die vor allem die Einhaltung eines Waffenstillstands überwachen sollen. Dieser wird allerdings weder von der Regierung noch den Rebellen eingehalten. Zudem bemühen sich rund 100 zivile Mitarbeiter des Einsatzes um eine politische Annäherung der verfeindeten Seiten und überwachen auch die Einhaltung von Menschenrechten. Wegen der eskalierenden Gewalt haben die Beobachter ihre Arbeit seit dem 16. Juni jedoch weitgehend unterbrochen.

Unterdessen eroberten syrische Rebellen zwei Stützpunkte der Streitkräfte nahe der Grenze zum Irak. Bei Gefechten um einen Außenposten im Sindschar-Gebirge seien syrische Soldaten getötet worden, sagte der irakische Brigadegeneral Kassim al Dulaimi am Donnerstag. Zuvor hätten die Rebellen bereits den Grenzübergang nahe der irakischen Ortschaft Kaim in ihre Gewalt gebracht und die syrischen Grenzsoldaten weggeschickt. Die Aufständischen seien nicht auf irakisches Gebiet vorgedrungen, sagte al Dulaimi weiter. Der Irak habe die Streitkräfte jedoch in Alarmbereitschaft versetzt und zusätzliche Truppen in die Grenzregion entsandt.

Kaim liegt 320 Kilometer westlich der irakischen Hauptstadt Bagdad. Der Grenzübergang sei wegen des bewaffneten Konflikts in Syrien bereits zuvor geschlossen worden, sagte der Sprecher der Provinz Anbar, Mohammed Fathi. Die beiden größeren Grenzübergänge in al Walid und in Rabija befinden sich nach Angaben der irakischen Behörden aber weiterhin in der Hand der syrischen Regierungstruppen. (dapd)

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