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Gipfeltreffen: EU-Spitze will nach Banken auch Klima retten

Die Spitze der Europäischen Union will nach den Banken und Spareinlagen nun das Weltklima retten. Zum Klimaschutz entbrannte zum Auftakt des EU-Gipfels in Brüssel am Mittwoch jedoch ein heftiger Streit unter den 27 Mitgliedstaaten.

In der Finanzkrise versprachen die Staats- und Regierungschefs klare Vorgaben für Europas Banken und suchten den Schulterschluss mit den USA. Beim Klimaschutz allerdings waren sie sich nicht ganz einig.

"Lasst uns mit dem Klimawandel nicht die gleichen Fehler machen, wie sie bei der Finanzkrise gemacht wurden", mahnte der Präsident der EU-Kommission, José Manuel Barroso. EU-Parlamentspräsident Hans-Gert Pöttering warf Barroso vor, in der Bankenkrise zu spät gehandelt zu haben. "Ich bedaure, dass die Kommission den Ernst der Lage auf den Finanzmärkten und die Auswirkungen auf die europäischen Bürger erst jetzt realisiert", schrieb Pöttering an Barroso.

Trotz Pötterings kritischem Brief schlug die konservative EVP-Fraktion im Europäischen Parlament den Kommissionschef für eine zweite Amtszeit vor. "Barroso steht für die Kontinuität und den Zusammenhalt in Europa, den die EU in den nächsten Jahren braucht", sagte der stellvertretende EVP-Vorsitzende und Wirtschaftsstaatssekretär Peter Hintze (CDU) nach einem EVP-Treffen vor dem Gipfel.

Die 27 Staats- und Regierungschefs wollten in Brüssel die Verabredungen der Euro-Staaten für die Rettung von Banken vom vergangenen Wochenende für die gesamte EU übernehmen. Dazu gehören milliardenschwere Garantien und die Teilverstaatlichung von krisengeschüttelten Kreditinstituten. Die EU-Kommission schlug am Mittwoch zudem neue Regeln vor, wonach Sparer ihr Geld im Falle einer Bankenpleite innerhalb von drei Tagen ausgezahlt bekommen. Bisher galten Fristen von drei bis zu neun Monaten.

"Der erste Schritt war die Stabilisierung des Finanzsystems. Wir müssen jetzt zum zweiten Schritt kommen - sicherzustellen, dass die Probleme im Finanzsystem, die - wie wir wissen - aus Amerika kamen, nicht wieder auftauchen", sagte der britische Premierminister Gordon Brown. Seine Vorschläge hatten den Europäern den Kurs aus der Krise gewiesen. US-Präsident George W. Bush wird am Samstag mit Barroso und dem französischen Staatschef und amtierenden EU-Ratspräsidenten Nicolas Sarkozy in den USA über die Finanzkrise beraten.

"Die Menschen sind besorgt über die Finanzkrise, aber auch über die Klimakrise und über die Krise des Arbeitsmarktes", sagte die Vorsitzende des Europäischen Gewerkschaftsbundes (EGB), Wanja Lundby-Wedin, nach einem Spitzentreffen der Sozialpartner vor dem Gipfel. Der französische Premierminister François Fillon betonte, Europa müsse mehr Jobs in Klimaschutz-Branchen schaffen. Darin seien sich alle einig. EU-Sozialkommissar Vladimir Spidla bekräftigte dieses Ziel: "Das Potenzial grüner Arbeitsplätze ist enorm."

Brown betonte, die Finanzkrise stehe dem Umweltschutz nicht entgegen: "Ich glaube, die Klimaschutz-Pläne sind Teil der Lösung." Vor allem Italien und einige osteuropäische Länder stellen die Klimaschutz-Pläne der EU jedoch in Frage. Die Ratspräsidentschaft vermied eine Festlegung des Gipfels auf gemeinsame Vorgaben. Sie entwarf eine Schlusserklärung, die lediglich einen Verweis auf Orientierungspunkte "unter ihrer Verantwortung" enthielt.

Polen droht dennoch mit einer Blockade. Schon eine Festlegung des Gipfels, das Klimapaket bis zum Dezember unter Dach und Fach zu bringen, geht der Regierung in Warschau zu weit. "Wir können es uns nicht erlauben, dass unsere Wirtschaft große wirtschaftliche Verluste erleidet", sagte Außenminister Radek Sikorski. "Wir sind bereit, ein Veto einzulegen, sollte es Versuche geben, uns zur Annahme des Klimaschutzpakets in den nächsten Monaten zu zwingen."

Bei den Polen führte die Frage, wer das Land beim Gipfel vertreten dürfe, zu einem bizarren Streit. Der liberale Regierungschef Donald Tusk hatte den national-konservativen Staatspräsidenten Lech Kaczynski nicht als Delegationsmitglied angemeldet. Er stellte dem Präsidenten auch kein Regierungsflugzeug zur Verfügung. Kaczynski reiste auf eigene Faust mit einem privat gecharterten Flugzeug nach Brüssel. In der Gipfelrunde verdrängte er Außenminister Sikorski vom Platz neben dem Regierungschef.

Roland Siegloff[dpa]

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