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Urteil: Globalisierungskritiker sind keine Terroristen

Bundesgerichtshof erklärt eine Razzia der Bundesanwatschaft gegen Gegner des G-8-Gipfels für rechtswidrig. Die Verdächtigen behalten sich rechtliche Schritte vor.

Karlsruhe/Berlin - Die bundesweite Razzia bei Gegnern des G-8-Gipfels im Mai 2007 war nicht nur rechtswidrig, sondern möglicherweise auch teuer. Generalbundesanwältin Monika Harms verdächtigte damals 18 mutmaßliche Linke, einer terroristischen Vereinigung mit „wechselnden Gruppenbezeichnungen“ anzugehören und schickte 900 Polizisten zu einer Großrazzia. Juristen schätzen die Kosten eines solchen Einsatzes auf mehrere hunderttausend Euro. Hinzu könnten Forderungen der Betroffenen kommen.

Der Berliner Rechtsanwalt Sven Lindemann rechnet damit, dass die Verfahren gegen die Beschuldigten bald ganz eingestellt werden und man die Anwaltskosten dann vom Staat verlangen könne. Lindemann, selbst Beschuldigter in dem Verfahren, will prüfen, ob er auch Entschädigung und Verdienstausfall einklagen werde, sagte er dem Tagesspiegel.

Bei der Razzia waren neben Computern auch Unterlagen beschlagnahmt worden. Einige Betroffene hätten wochenlang nicht ihrem Beruf nachgehen können. Von einem „misslungenen Einschüchterungsversuch“ gegen seine politisch engagierten Mandanten sprach der Hamburger Rechtsanwalt Andreas Beuth.

Gegen die Verdächtigen aus der linken Szene wurde wegen Brandanschlägen im Vorfeld des G-8-Gipfels ermittelt. Der Bundesgerichtshof (BGH) entschied nun mit Blick auf die Schwere der Brandstiftungen, dass sie für den Verdacht der Bildung einer Terrorvereinigung nicht ausreichten. Generalbundesanwältin Monika Harms habe deshalb nicht die Kompetenz gehabt, die Großrazzia anzuordnen.

Den Richtern zufolge hätten nur die Staatsanwälte der einzelnen Bundesländer die Verdächtigen wegen Verdachts der Brandstiftung verfolgen dürfen. Sie äußerten auch „nachhaltige Zweifel“, dass sich die Beschuldigten überhaupt zu einer kriminellen Vereinigung zusammengeschlossen hätten.

Die Bundesanwaltschaft kündigte an, das Verfahren an die Landesstaatsanwälte abzugeben. Die Innenexpertin der Linksfraktion im Bundestag, Ulla Jelpke, kritisierte den Einsatz als Skandal, der vor dem G-8-Gipfel für Eskalation gesorgt habe. Hans-Christian Ströbele, Vize der Grünenfraktion im Bundestag, forderte „personelle Konsequenzen“ bei der Bundesanwaltschaft: „Das Gericht hat Frau Harms in die rechtlichen Schranken verwiesen.“ Die „harte Linie gegen Globalisierungskritiker“ müsse überprüft werden.

Erst kürzlich hatte der BGH in einem anderen Fall ähnlich geurteilt. Gegen 1000 Personen sei in den vergangenen zehn Jahren wegen Terrorverdachts ermittelt worden, sagen Rechtsanwälte. Dabei seien weniger als 40 Urteile gefällt worden.

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