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Politik: Glück, Trauer und eine bange Fragen

Die italienischen Journalistin Giuliana Sgrena ist wieder frei. Doch selten liegen höchstes Glück und tiefste Trauer so eng bei einander wie nach ihrer Freilassung.

Rom (06.03.2005, 16:17 Uhr) - Eigentlich schien alles gelaufen. «Sie sind endlich frei», sagte der Geheimdienstmann Nicola Calipari. Dann stieg er mit der italienischen Journalistin Giuliana Sgrena ins Auto. Es war Freitagabend, über Bagdad war die Dunkelheit hereingebrochen. Was dann einige hundert Meter vor dem Flughafen geschah, darüber kann die 56-Jährige nur unter Tränen berichten. «Ich kann mich nur noch an Gewehrfeuer erinnern, ein Kugelhagel ging auf uns nieder.» Dann habe sich der Mann, der kurz zuvor ihre Freilassung erreicht hatte, mit seinem Körper schützend vor sie gebeugt. «Ich habe ihn sterben gesehen. Er lag in meinen Armen und ist gestorben.»

Selten liegen höchstes Glück und tiefste Trauer so eng bei einander. Ganz Italien ist hin und her gerissen zwischen der Freude über die Rückkehr der Frau, die man vier lange Wochen so sehnlich herbeigewünscht hatte, und der Trauer um den Tod des Mannes, der durch zähe Verhandlungen mit Mittelsmännern der Kidnapper ihre Freiheit durchsetzte. Doch neben Glück und Trauer drängt sich auch eine bange Frage auf: Handelt es sich wirklich um einen «bedauernswerten Unfall», wie es die Amerikaner offiziell behaupten? Oder verbirgt sich tatsächlich ein schmutziges Spiel dahinter, ein Hinterhalt der Amerikaner, wie Pier Scolari, der Lebensgefährte der Italienerin lautstark kundtut?

Als die Frau auf dem Flughafen von Rom aus dem Jet klettert, ist in ihrem Gesicht nicht die leiseste Spur von Freude über das Ende ihrer Odyssee zu lesen. Sie wirkt angeschlagen, ihre Miene ist verzerrt, sie muss von Helfern gestützt werden - doch die körperlichen Schmerzen durch die Schlüsselbeinverletzung dürften ihr noch die wenigste Pein bereiten.

Immer wieder lässt Giuliana Sgrena den Film der schrecklichen Minuten im Auto vor ihrem Inneren abspielen: Sie habe noch gehört, wie der Fahrer per Funk auf Italienisch und Englisch durchgegeben habe, dass sie jetzt auf dem Weg seien. Und dann, als der Kugelhagel einsetzte, seien ihr plötzlich wie «ein Blitzschlag» die Worte ihrer Entführer in den Sinn gekommen: Die hätten ihr während ihrer vierwöchigen Geiselhaft einmal gesagt: «Es gibt Amerikaner, die wollen nicht, dass Du zurückkehrst.»

«Während der ersten Tage meiner Entführung habe ich keine einzige Träne vergossen. Ich war einfach nur wahnsinnig wütend», schreibt sie in «Il Manifesto» am Sonntag. Immer wieder habe sie ihre Kidnapper gefragt: «Wie könnt ihr mich entführen, wenn ich doch gegen den Irakkrieg bin?» Später, als sie fernsehen durfte, habe sie dann einen anderen Albtraum erlebt. «Da kam die Ankündigung des Islamischen Dschihads, dass sie mich hinrichten würden, wenn Italien nicht seine Truppen abzieht.» Doch ihre Entführer hätten sie beruhigt - die Forderung sei nicht echt.

Doch immer wieder kehren ihre rastlosen Gedanken zu den Minuten im Auto zurück, als sie überlebte und ihr Retter starb. Am Sonntag kam ihr sogar die bange Frage, vielleicht sei ja sie selbst sogar das eigentliche Ziel der Schüsse der amerikanischen Soldaten gewesen. Nicht auszuschließen, dass für ihre Freilassung Lösegeld bezahlt wurde. «Und jeder weiß schließlich, dass die Amerikaner keine Verhandlungen zur Freilassung von Geiseln wollen.» (Von Peer Meinert und Carola Frentzen, dpa) ()

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