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Aufgestockt. Aus dem ersten Griechenland-Paket sind noch 34,5 Milliarden Euro übrig. Auch diese Summe soll Hellas weiter zugute kommen, auch wenn inzwischen ein zweites Hilfspaket beschlossen ist.

© dpa

Griechenland-Hilfe: Aus zwei mach eins

Schäuble rechnet bei den Hellas-Hilfen falsch, findet SPD-Haushälter Schneider – und verwirrt die Union.

Von Robert Birnbaum

Carsten Schneider hat inzwischen einige Übung darin, in der Regierungskoalition Unruhe auszulösen. Praktisch vor jeder der politisch heiklen Abstimmungen im Bundestag hat der findige SPD-Haushaltsexperte irgendetwas in den Beschlusspapieren aufgespürt, das zumindest den Eindruck erweckte, Union und FDP sollten von ihren Führungen unter Vorspiegelung falscher Tatsachen zum Ja-Wort getrieben werden. Und da es sich bei den Rettungspaketen für Griechenland und Euro nicht nur, was die darin verpackten Milliarden angeht, um äußerst umfangreiche Brocken handelt, ist nicht immer sofort zu erkennen, ob der Vorwurf in aller Härte zutrifft oder eher nicht.

Beim jüngsten Paket umfasst das Täuschungsmanöver, folgt man dieser Lesart Schneiders, nicht weniger als 35 Milliarden Euro. Die Summe ist übrig vom ersten Griechenland-Hilfspaket. Sie sollte nach früheren Aussagen in Brüssel eigentlich mit dem Inkrafttreten des jetzt auf den Weg gebrachten zweiten Pakets ersatzlos gestrichen werden.

Nicht genug damit, dass das nicht geschehe, kritisiert Schneider in der „Süddeutschen Zeitung“: Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) unterschlage dem Parlament diese Summe, indem er das zweite Hellas-Hilfspaket immer nur auf 130 Milliarden Euro beziffere. In Wahrheit gehe es um 165 Milliarden. Schäuble versuche, das Volumen „durch die Hintertür“ aufzustocken; der Minister und die Kanzlerin müssten aber endlich „vor dem Bundestag und der Öffentlichkeit die wahren Kosten und Risiken offenlegen“.

Der Vorwurf wie der Vorgang hat auch unter Fachleuten in der Koalition einiges Befremden ausgelöst. Zwar ist das erste Griechenland-Paket vom Parlament gebilligt worden, die Mittel daraus sind also politisch sozusagen schon eingepreist. Gleichwohl, heißt es in Fraktionskreisen, erhöhe es natürlich insgesamt die Haftungssumme, wenn der Rest nicht entfällt, sondern weiter verwendet wird.

Im Finanzministerium wollen sie von einem Tarnmanöver naturgemäß nichts wissen. Richtig sei, sagt Schäubles Sprecher Martin Kotthaus, dass aus dem Griechenland-I-Paket noch 34,5 Milliarden Euro übrig seien. Freilich entfielen davon nur 24,5 Milliarden auf die Euro-Staaten, die übrigen zehn sind der Anteil des Internationalen Währungsfonds (IWF). Übrig ist das Geld, weil das 2010 auf den Weg gebrachte Rettungspaket eigentlich drei Jahre laufen und bis dahin Griechenland wieder so weit auf die Beine stellen sollte, dass es seine Schulden alleine tragen kann. Daraus wird bekanntlich bis 2013 nichts. Jetzt überholt also Paket Nummer zwei gewissermaßen die erste Lieferung.

Dass das erste Paket trotzdem weiterlaufen soll, hängt mit der schon erwähnten Schuldentragfähigkeit zusammen. Die im zweiten Paket vereinbarten 130 Milliarden Euro reichen nach der Analyse der Experten von EU, IWF und Europäischer Zentralbank nicht aus, um Hellas bis 2014 in einen Zustand zu versetzen, in dem es garantiert zahlungsfähig bleibt. Zusammen mit dem Rest aus Paket I reicht es aber, zumal die privaten Gläubiger am Dienstagmorgen in Brüssel in letzter Minute noch einmal draufgelegt haben beim Schuldenschnitt. Praktisch werde die Resteverwertung, sagt Kotthaus, so vor sich gehen, dass der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) die bisherigen Genehmigungen zur Auszahlung der Hellas-I-Gelder entzogen und diese auf den vorläufigen Euro-Rettungsfonds EFSF übertragen würden. Mit Tarnung, wie gesagt, habe das alles nichts zu tun; die getrennte Behandlung geschehe aus Gründen der Übersichtlichkeit.

SPD-Haushaltspolitiker Carsten Schneider
SPD-Haushaltspolitiker Carsten Schneider

© ddp

Von der Lauterkeit dieses Motivs sind selbst in Schäubles eigener Fraktion nicht alle überzeugt. Aber Schneiders Vorwurf ist vermutlich in der Sache zu kompliziert, um beim einfachen Abgeordneten zu verfangen. An der Basis der Union könnte eher ein anderer die Zweifel verstärken, die ohnehin jeden umtreiben – der frühere Fraktionschef Friedrich Merz sagt in einem Beitrag für das „Handelsblatt“ voraus, dass das zweite Paket nicht das letzte sein werde, und warnt, dass immer mehr Rettungspakete die Retter selbst in Probleme bringen könnten.

Eine direkte Schlussfolgerung zieht Merz daraus nicht. Er erinnert zwar an Beispielfälle, in denen Staaten ihre Zahlungsunfähigkeit erklärt haben und dann von der Staatengemeinschaft in einem geordneten Verfahren wieder saniert wurden. Aber er räumt ein, dass der Ausgang dieses Experiments in einer Währungsgemeinschaft offen wäre: Die Risiken von Domino-Effekten seien „heute, anders als früher, nicht wirklich kalkulierbar“. Trotzdem legt er nahe, dass ein „Ende mit Schrecken“ vielleicht besser sein könnte als ein Schrecken ohne absehbares Ende.

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