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Politik: Großer Koalitionsspagat

CDU-Chefin Merkel redet ein Bündnis mit der SPD in Hessen schlecht – aber genau das könnte kommen

Von Robert Birnbaum

Berlin - Angela Merkel mag keine große Koalition – jedenfalls im Moment und in Hessen nicht. In Berlin habe so ein Bündnis ja vieles auf den Weg gebracht; aber im Lande Hessen, sagt die Kanzlerin und CDU-Vorsitzende, „mit einer Frau wie Frau Ypsilanti wäre das schlicht und ergreifend unmöglich!“ Der große Koalitionsspagat zum offiziellen Wahlkampfschluss am Donnerstag in Hessen ist Merkels letzte Hilfe für Roland Koch.

Beim Wort nehmen sollte man die Absage lieber nicht. Allzu offensichtlich soll Merkels Interview im Hessischen Rundfunk dazu beitragen, dass sich diese Koalitionsfrage am Sonntagabend gar nicht erst stellt. Und es bedarf wenig Fantasie, um die Festlegung der CDU-Chefin auf ein bürgerliches Bündnis als kleine verdeckte Leihstimmenkampagne für den Wunschpartner FDP zu deuten.

In Wahrheit wäre Merkel die Erste, die dem Parteifreund Koch die große Landeskoalition schmackhaft machen würde, wenn es am Sonntag für ein CDU-FDP- Bündnis in Wiesbaden nicht reichen sollte. „Wir haben doch dann gar keine andere Wahl“, sagt ein CDU-Spitzenpolitiker in Berlin. Zwar käme es der Union theoretisch sogar recht, wenn Ypsilanti sich allen vorherigen Schwüren zum Trotz auf ein Rot-Rot-Grünes Bündnis einlassen würde. Aber im Ernst traut das der SPD-Linken keiner zu: Eine solche Steilvorlage für den Bundestagswahlkampf der CDU 2009 könne SPD-Chef Kurt Beck nicht zulassen.

Beck wirbt denn auch für ein ganz anderes Bündnis in Hessen – eins, das wiederum Merkel gar nicht passen würde. Denn eine Ampelkoalition aus SPD, Grünen und FDP im wichtigen Flächenland Hessen würde unweigerlich als Testlauf für den Bund gewertet. Den hat der hessische FDP-Spitzenkandidat Jörg Uwe Hahn ausgeschlossen. Auch Guido Westerwelle hat noch einmal versichert, dass eine Ampel nicht infrage komme: „Wir sind nicht die nützlichen Idioten von SPD, Grünen und Linkspartei!“

Eine derart harte Festlegung hält in der FDP nicht jeder für weitsichtig. Aber hinter Westerwelles Taktik steckt ein ausgeprägtes Interesse des FDP-Chefs, nicht mit dem Ruf des Steigbügelhalters für einen Kanzler Beck in die Bundestagswahl 2009 zu gehen. Denn wenn die FDP auf Wechselwähler aus dem Volksparteien- Lager hoffen kann, dann noch am ehesten auf solche von der CDU. In der Union wird Westerwelles Bekenntnis durchaus skeptisch betrachtet. „Liberale ertragen die Opposition nicht“, sagt einer aus der Unionsführung. Aber andererseits – wenn, dann werde Westerwelle seine Treueschwüre selber brechen wollen, am Abend der Bundestagswahl.

So bleibt eine große Koalition in Hessen als kleinster gemeinsamer Nenner durchaus nicht unwahrscheinlich. Und auch Koch, da sind sich führende Unionspolitiker in Berlin so gut wie sicher, würde rasch den Wahlkampfanzug ausziehen und die SPD-Spitzenfrau Andrea Ypsilanti als Vizeministerpräsidentin akzeptieren. Selbst für den Fall, dass die SPD vor der CDU durchs Ziel ginge, wäre eine große Koalition in Wiesbaden alles andere als unwahrscheinlich – dann freilich ohne Koch. „Das würde er sich nicht antun“, sagt ein Abgeordneter aus Hessen.

Viel Auswahl bliebe einem unterlegenen Koch allerdings nicht. Zwar geistern durch Berlin längst Spekulationen, dass sein alter Intimus Franz Josef Jung nach Wiesbaden wechseln und Koch als Verteidigungsminister in Merkels Kabinett einrücken könnte. Wer noch mehr Spaß am Gedankenspiel hat, schanzt Koch das Wirtschaftsministerium zu und lässt den CSU-Mann Michael Glos in den Bendlerblock einmarschieren. Aber so reizvoll solche Spekulationen sein mögen, belegbar sind sie nicht. Es gibt im Gegenteil sogar ziemlich maßgebliche Leute, die sie für Quatsch halten. Denn wenn Koch diese Wahl – und diesen Wahlkampf – verliert, sinkt sein Marktwert als stärkster Mann der CDU rasant.

Wenn. Das allerdings ist nicht ausgemacht. Nicht nur in Wiesbaden, auch in Berlin trösten sich CDU-Leute über den demoskopischen Trend gegen Koch mit einer an sich schmerzlichen Erinnerung hinweg. „Was wir von Umfragen halten können, haben wir ja erlebt“, sagt ein Christdemokrat – am Bundeswahlabend 2005, als sich der scheinbar sichere Sieg für Union und FDP in eine Beinahe-Niederlage verwandelte. So wie damals in ganz Deutschland, seien heute auch in Hessen sehr viele Wähler noch unentschieden. Grund genug für Merkel wie für Beck, sich noch einmal für ihre Matadore mit in die Arena zu begeben. „Noch ist Hessen nicht verloren“, hofft ein Unionspolitiker in Berlin.

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