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Politik: Grün und unglücklich

Nach dem Debakel von Bremen sind keine neuen Parteichefs in Sicht. Müssen Claudia Roth und Fritz Kuhn doch noch einmal ran?

Von Matthias Meisner

Eines will der Alt-Linke der Grünen, Hans-Christian Ströbele, erstmal klarstellen: Eine Niederlage von Claudia Roth und Fritz Kuhn habe er ausdrücklich nicht gewollt. „Ich fand, dass die das sehr gut gemacht haben“, sagt Ströbele am Sonntag über die Arbeit der Vorsitzenden. Der Berliner Bundestagsabgeordnete hatte sich auf dem Parteitag in Bremen zum Wortführer derer gemacht, die an der Trennung von Amt und Mandat festhalten wollen. Jetzt wirft er die Frage auf, ob Roth und Kuhn nicht doch auf ihr Abgeordnetenmandat verzichten und im Dezember auf dem Parteitag in Hannover erneut kandidieren wollen. „Die hätten sicher eine sehr, sehr große Chance, gewählt zu werden“, glaubt er.

Mehrere Landesvorsitzende schließen sich dem Drängen an. Offensichtlich sei die Zeit nicht reif für die „Schlachtung der letzten heiligen Kuh“ der Bündnisgrünen, sagt Ines Brock aus Sachsen-Anhalt zur Bestätigung des Status quo bei der Trennung von Amt und Mandat. Sie erwartet: „Ich bin sicher, dass die beiden Bundesvorsitzenden bei einer erneuten Kandidatur eine überwältigende Mehrheit erhalten würden.“ Auch Niedersachsens Grünen-Chefin Heidi Tischmann lobt, Roth und Kuhn hätten „wirklich erfolgreich gearbeitet“.

Auch nach ihrer Abstimmungsniederlage bleiben die beiden Parteichefs bei ihrer Festlegung, das am 22. September gewonnene Bundestagsmandat behalten zu wollen, selbst wenn sie im neuen Bundestag nur eine Hinterbänkler-Laufbahn erwartet. „Unklug“ sei das, meinen viele in der Partei – und wollen dafür kämpfen, dass künftige Vorsitzende in der Parteizentrale besser ausgestattet werden. Es ist ziemlich ungewiss, ob Roth und Kuhn so umgestimmt werden können. Doch ebenso unklar ist, wer nach ihnen Parteichef werden könnte.

„Ich weiß nichts von einem Personaltableau, das nun einfach aus der Tasche gezogen werden kann“, sagt Ströbele. Ausdrücklich will er keine Kandidaten ins Spiel bringen, ohne mit möglichen Bewerbern gesprochen zu haben. Das tun indes andere, aber nur hinter vorgehaltener Hand und meist gleich mit Vorbehalten. So kommt das Gespräch vor allem auf diejenigen, die bei der Listenaufstellung für den Bundestag gescheitert sind: die frühere Bundesgesundheitsministerin Andrea Fischer etwa, den Haushaltsexperten Oswald Metzger oder die Verteidigungspolitikerin Angelika Beer. Die frühere Parlamentsgeschäftsführerin Steffi Lemke wird genannt, auch schon für das Amt des Bundesgeschäftsführers gehandelt, das ebenfalls im Dezember vakant wird. Andere suchen auf der Landesebene, können sich etwa Frithjof Schmidt als Bundesvorsitzenden vorstellen, den Chef der NRW-Grünen. Ein überzeugendes Alternativ-Angebot hat keiner, was die Niedersachsen-Grüne Tischmann nun der Führung anlastet: „Sie hätte die Szenarien vorher durchspielen müssen.“ Hin und her gehen die Schuldzuweisungen: Die einen machen die Linken verantwortlich, die stur einen „alten Zopf“ der Grünen verteidigen. Die anderen schimpfen auf die Realo-Seite, die die Stimmung an der Basis nicht gut erkundet habe: „Jetzt stehen wir vor einem Scherbenhaufen.“

Letzter Ausweg wäre eine dritte Lösung: Auf dem Parteitag im Dezember könnte ein neuer Vorstoß zur Satzungsänderung unternommen werden, um Roth und Kuhn dann gleich zu bestätigen. Fristgerecht müsste ein solcher Antrag schon nächste Woche gestellt werden. Die Begeisterung in der Partei indes hält sich in Grenzen. „Der letzte Quatsch“, schimpft der Tübinger Abgeordnete Winfried Hermann. Auch Ströbele ist, noch bevor sich der Bundesvorstand an diesem Montag mit dem Vorschlag befassen kann, dagegen: „Die Delegierten haben gezeigt, dass sie sich jetzt anderen Themen widmen wollen.“

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