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Politik: Grüne Basis droht ihrer Parteiführung Delegierte verlangen Zusage für Stelllegung von Akw Obrigheim

Berlin. Im Streit um die Stilllegung des ältesten deutschen Atomkraftwerks geraten die Grünen unter den Druck der eigenen Basis.

Berlin. Im Streit um die Stilllegung des ältesten deutschen Atomkraftwerks geraten die Grünen unter den Druck der eigenen Basis. Die Verhandlungsführer der Partei sehen sich zunehmend mit Forderungen von Atomkraftgegnern und Umweltverbänden konfrontiert, in den Koalitionsverhandlungen mit der SPD eine Stilllegung des baden-württembergischen Atomkraftwerks Obrigheim festzuschreiben. Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) meinte am Freitag, er werde die Entscheidung über Obrigheim als Messlatte für die Bewertung des gesamten Koalitionsvertrages heranziehen. Brisanz gewinnt der Streit, weil in acht Tagen ein Grünen-Parteitag den Koalitionsvertrag billigen muss und die Parteiführung gleichzeitig eine Zweidrittelmehrheit für eine Satzungsänderung braucht.

Unruhe verursachen Berichte, wonach Bundeskanzler Gerhard Schröder dem Chef der Energie Baden-Württemberg (EnBW) eine Laufzeitverlängerung zugesagt habe und Umweltminister Jürgen Trittin (Grüne) darüber informiert gewesen sei. EnBW-Chef Gerhard Goll erklärte am Freitag, die mündliche Zusage des Kanzlers sei im April 2002 sogar bekräftigt worden. Dagegen bestreitet Trittin jede Kenntnis von der angeblichen Zusage für den Meiler, der nach dem Atomkompromiss zum Ende des Jahres abgeschaltet werden sollte. Zum inzwischen schriftlich eingegangenen EnBW-Wunsch nach Verlängerung sagt der Minister: „Der Antrag wird nach Recht und Gesetz behandelt werden.“

Zwar hat das Umweltministerium deutlich gemacht, dass es dem Antrag wenig Chancen gibt. Doch die Grünen-Basis verlangt nun schnell eine Entscheidung und eine Absage an die Verlängerung im Rahmen der Koalitionsgespräche. Denn Trittin kann über den Antrag nicht alleine befinden, sondern muss sich mit dem Kanzler und dem Wirtschaftsminister einigen. Eine Lösung könnte nach Informationen der „Tageszeitung“ darin bestehen, dass Obrigheim länger betrieben werden darf, aber vor Ende der Legislaturperiode vom Netz geht.

Der baden-württembergische Landesvorsitzende Andreas Braun und der Fraktionsvorsitzende im Landtag, Winfried Kretschmann, forderten am Freitag in einem Schreiben an die Grünen-Verhandlungsführer, gegen die Kanzler-Zusage Fakten zu schaffen. Anderenfalls wäre die Glaubwürdigkeit des von den Grünen erreichten Atomausstiegs „fundamental in Frage gestellt“, heißt es in dem Schreiben, das dem Tagesspiegel vorliegt. Konsequenzen drohen beide Politiker nicht an. Allerdings gibt es in dem südwestdeutschen Landesverband schon Überlegungen, bei einem Misserfolg den Wunsch der Parteiführung zu torpedieren, eine Satzungsänderung zur Aufhebung der Trennung von Amt und Mandat herbeizuführen.

Auch in anderen Landesverbänden, vor allem in Niedersachsen, ist die Unruhe groß. Für den Parteitag in acht Tagen liegt schon ein Antrag aus Berlin vor, der ebenfalls die Stilllegung von Obrigheim fordert. „An Obrigheim wird sich erweisen, was der gesetzlich vereinbarte Atomausstieg in Deutschland wert ist – oder eben nicht“, heißt es darin. Dagmar Dehmer/Hans Monath

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