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Politik: Grüne lassen ihre Führung fallen

Kuhn und Roth wollten Parteivorsitz und Bundestagsmandat behalten – die Basis verweigert die Zustimmung

Von Matthias Meisner

Bremen. Die Grünen sind kurz nach ihrer Zustimmung zum rot-grünen Koalitionsvertrag in eine Führungskrise geraten. Überraschend bestätigte der Parteitag am Samstag in Bremen die seit Jahren geltende Trennung von Partei-Amt und Mandat und verhinderte damit die Wiederwahl der bisherigen Vorsitzenden Claudia Roth und Fritz Kuhn, die auf einem weiteren Parteitag im Dezember geplant war. Beide kündigten an, nun ihr im September errungenes Bundestagsmandat zu behalten und wie angekündigt auf eine neue Kandidatur für den Parteivorsitz zu verzichten. Damit endete der Parteitag für die Spitze mit einem Debakel.

Am Freitag hatten die über 700 Delegierten bei wenigen Gegenstimmen dem Koalitionsvertrag zugestimmt, zugleich aber gerügt, dass Bundeskanzler Gerhard Schröder den Betreibern des Atomkraftwerks Obrigheim die Zusage zu einer Verlängerung der Laufzeit gemacht hatte. Der bisherige Fraktionschef Rezzo Schlauch entging nur knapp einem Missbilligungsantrag wegen seiner Verwicklung in die Bonusmeilen-Affäre.

Doch die von der Führung beantragte Satzungsänderung, nach der die Trennung von Amt und Mandat zumindest teilweise aufgehoben werden sollte, erhielt – wenn auch knapp – nicht die notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit. Für sie hatte unter anderem die frühere Fraktionschefin Kerstin Müller gestritten: „Ich möchte einen starken Bundesvorstand, der auch im Bundestag reden kann, da, wo politisch die Musik spielt.“ Die Partei werde auf ihrem nächsten Parteitag mündig und selbstbewusst genug sein, „die Leute zu wählen, die wir wollen“.

Wer die Partei künftig führt, ist nach der Abstimmungsniederlage des Bundesvorstandes völlig offen. Sowohl Roth als auch Kuhn wiesen Spekulationen definitiv zurück, sie würden doch noch auf ihr Parlamentsmandat verzichten und im Dezember antreten. Kuhn sagte: „Ich bin traurig über die Entscheidung, die in letzter Konsequenz eine Schwächung der Partei bedeutet. Natürlich werde ich mein Mandat behalten.“ Hinter den Kulissen wurde die Befürchtung geäußert, ein geschwächter Vorstand mit wenig profiliertem Spitzenpersonal werde nur noch eine Nebenrolle in der politischen Arbeit der Grünen spielen. Der Parteitag wurde ohne weitere Debatte beendet.

Der Wortführer der Linken, Hans-Christian Ströbele, der in Bremen für die Beibehaltung des Status quo geworben hatte, sagte, es blieben nun sechs Wochen Zeit, um neues Führungspersonal zu suchen. Es gebe „ganz tolle Leute“ in der Partei, sagte er, ohne aber Namen zu nennen. Der Berliner Bundestagsabgeordnete Werner Schulz erklärte den Beschluss des Parteitags mit dem Versuch von Roth und Kuhn, eine „Erpressungssituation“ aufzubauen, weil sie ihr Parlamentsmandat auch um den Preis behalten wollten, dass die Partei enthauptet werde. Im Gespräch mit dem Tagesspiegel am Sonntag appellierte Schulz an Roth und Kuhn, ihre Position noch einmal zu überdenken: „Beide stehen vor der Frage, ob das Mandat für sie wichtiger ist oder die Vertretung der Partei.“

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