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Politik: Grüne wollen keinen "Nachbau West"

Die Grünen sehen bei Themen wie soziale Gerechtigkeit, Wirtschaftskraft, Lebensbedingungen und Infrastruktur noch "erheblichen Angleichungsbedarf" zwischen Ost und West. Im Ost-Programm der Partei, dessen Entwurf dem Tagesspiegel vorliegt, heißt es aber zugleich, der Aufbau Ost dürfe "kein Nachbau West" sein.

Von Matthias Meisner

Die Grünen sehen bei Themen wie soziale Gerechtigkeit, Wirtschaftskraft, Lebensbedingungen und Infrastruktur noch "erheblichen Angleichungsbedarf" zwischen Ost und West. Im Ost-Programm der Partei, dessen Entwurf dem Tagesspiegel vorliegt, heißt es aber zugleich, der Aufbau Ost dürfe "kein Nachbau West" sein. "Wer Politik für die neuen Länder nur als Annäherung an die Standards der alten Länder betreibt, greift zu kurz." Auf das Ost-Programm unter dem Titel "Grundzüge bündnisgrüner Politik in Ostdeutschland" hat sich Partei-Chef Fritz Kuhn mit den Vorsitzenden der ostdeutschen Landesverbände verständigt.

Das Ost-Programm soll an diesem Donnerstag im Vorstand besprochen und als Leitantrag auf dem Grünen-Bundesparteitag Ende November in Rostock beraten werden. Sachsen-Anhalts Landesvorsitzende Ines Brock sprach von einer möglichen "Initialzündung" für die Partei, die in keinem ostdeutschen Landtag mehr vertreten ist. Bundesvorstandsmitglied Undine Kurth meinte, auf "verkürzte Heilsbotschaften" werde in dem 16-seitigen Papier bewusst verzichtet. Ziel der Grünen sei eine "dauerhafte Perspektive" der neuen Länder "in ökologischer, sozialer und wirtschaftlicher Hinsicht", heißt es in dem Entwurf.

Dabei werden Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen und Strukturanpassungsprogramme als "weiterhin notwendig" bezeichnet. Die Grünen wollen eine Kombination von arbeitsmarktnaher Qualifizierung, Lohnsubventionierung, Kombilöhnen sowie auch Arbeitnehmerüberlassung durch Zeitarbeitsfirmen, um den ostdeutschen Arbeitsmarkt zu beleben. Einen dauerhaft subventionierten Niedriglohnsektor lehnen sie ab. Ausdrücklich treten sie für eine differenziertere Förderpolitik je nach Perspektiven der Regionen ein. Modernster Infrastruktur und boomender Wirtschaft in einigen Gebieten stünden Infrastrukturlücken, Massenarbeitslosigkeit und die Verödung ganzer Stadtteile in anderen Regionen gegenüber.

Umstritten in der Runde der Ost-Landesvorsitzenden war die Frage, in welchem Zeitraum die Löhne und Gehälter in den neuen Ländern auf West-Niveau angehoben werden können. Die thüringischen Grünen plädierten für die 35-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich und die "zügige" Angleichung zwischen Ost und West, konnten sich damit aber zunächst nicht durchsetzen. Eine Angleichung der Löhne und Gehälter sei "innerhalb einer sehr kurzen Frist nicht realisierbar", heißt es nun, ohne dass ein Zeitrahmen exakt ins Auge gefasst wird. Allerdings stellen die Grünen fest, das deutlich niedrige Lohn- und Gehaltsniveau werde von vielen Menschen als "soziale Ungerechtigkeit" empfunden, es fördere die Abwanderung vor allem junger Menschen. Noch diskutiert werden soll der Vorschlag des sächsischen Landesverbandes, nach dem Langzeitarbeitslosen im Alter ab 55 Jahren ein Übergangsgeld gezahlt werden soll, das nicht mehr an die Meldepflicht beim Arbeitsamt gekoppelt ist.

Verbessern wollen die Grünen die Chancen von Frauen auf dem Arbeitsmarkt. Eine Angleichung zwischen West und Ost könne nicht heißen, die westdeutsche Erwerbsquote auf den Osten zu übertragen. "Veraltete westdeutsche Erwerbsmuster akzeptieren wir nicht." Genutzt werden sollten vielmehr die "in der DDR gesammelten Erfahrungen bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie".

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