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Politik: Grünen-Parteitag: Ist die Spitze noch spitze?

Nach der Wahl ist vor der Wahl. So lautet Sepp Herbergers alte Fußball-Spielweisheit ins Politische übersetzt.

Nach der Wahl ist vor der Wahl. So lautet Sepp Herbergers alte Fußball-Spielweisheit ins Politische übersetzt. Der Wahl zu den Parteigremien der Grünen am Wochenende in Münster folgt zur Halbzeit der Legislaturperiode im Herbst die Neuwahl der Fraktionsspitze im Bundestag. Die doppelte Nummer eins an der Spitze der 47 Abgeordneten aber hat von den Delegierten einen Dämpfer bekommen. Kerstin Müller brauchte zwei, Rezzo Schlauch gar drei Wahlgänge, um in den Parteirat zu gelangen. Ist das Duo nach dem Nasenstüber gefährdet? Ein gewisses Nachdenken hat begonnen.

Ursachenforschung: Am mit großer Mehrheit abgesegneten Atomkompromiss kann es kaum gelegen haben. Umweltminister Jürgen Trittin hatte ein fast so gutes Ergebnis wie Joschka Fischer. Dessen Namensvetterin Andrea bekam sogar noch ein paar Stimmen mehr. Mit der Regierung scheint die Basis also zufrieden zu sein. Mit der Fraktion auch. Denn die beiden Nicht-Funktionsträger, Umweltexperte Reinhard Loske und Menschenrechts-Politikerin Claudia Roth wurden ohne Probleme gewählt.

Das legt die Vermutung nahe: Es liegt an der Führungsarbeit der Fraktion. Schlauch hat das grüne Publikum mit seiner Alleinfahrt fürs Auto verprellt. Aber Müller? Sie hat schon an der Seite von Joschka Fischer in der Opposition gedient. Hat der Neubeginn in der Partei eine Parallele in der Fraktion nahegelegt? Es hat sich herumgesprochen, dass die Doppelspitze nicht harmoniert.

Aber wer wäre die Alternative? Dem Umweltpolitiker Loske werden Ambitionen nachgesagt. Hat er nicht Schlauchs Autovolte am heftgsten kritisiert? Richtig zornig kann der Bundestagsneuling werden, wird er mit solchen Spekulationen konfrontiert. Als er Jürgen Trittin kritisierte, galt er als begierig auf dessen Amt. Auf dem realpolitischen Flügel gibt es sonst nur noch eine potentielle Kandidatin: Fraktionsgeschäftsführerin Kristin Heyne. Sie gilt als kompetent und durchsetzungsstark. Ihr Problem: Keine Chance bei Gerhard Schröder. Der gute Draht zum Kanzler, den manche Parteifreunde Rezzo Schlauch ankreiden, ist zugleich sein wichtigstes Pfund. Außer Joschka Fischer, heißt es, brauche noch einer die ganz direkte Verbindung.

Auf Kerstin Müller aber reagiert der Kanzler, so ist aus roten wie grünen Kreisen zu hören, gereizt. Das dürfte bei Claudia Roth, wie Loske parteiratsempfohlen, kaum anders sein. Wie dieser dementiert auch sie. Gleichwohl wird die Linke hartnäckig als Alternative gehandelt: Die 45-Jährige hat in Sachen Rüstungskontroll-Richtlinien einen Erfolg verhandelt, sie gilt im Amt der Vorsitzenden des Menschenrechtsausschusses als überparteilich integrativ. Und sie kann publikumswirksam reden. Manch einer hatte gehofft, das Problem Müller würde durch die nordrhein-westfälische Landtagswahl gelöst und die Kölnerin ins Düsseldorfer Kabinett abwandern. Denkste. Nun müssen die Bundestagsgrünen selbst entscheiden, ob sie an ihrer Vorsitzenden festhalten. Nach der Wahl bleibt vor der Wahl.

Thomas Kröter

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