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Politik: Grund zur Versöhnung

Erstmals weiht ein israelischer Staatschef auf deutschem Boden eine Synagoge ein – an einem Ort, der auch für Christen bedeutsam ist

Paul Spiegel, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, war sofort begeistert. Johannes Rau hatte ihm einen ungewöhnlichen Vorschlag für den Besuch des israelischen Präsidenten Mosche Katzav unterbreitet. Das deutsche Staatsoberhaupt hatte den Termin für den Besuch Katzavs so geschickt gewählt, dass sein Kollege aus dem Nahen Osten ausgerechnet am Sonntag in Köln ankommen wird. „Und dann könnten wir gemeinsam die neue Synagoge in Wuppertal einweihen“, hatte sich Rau überlegt.

Auf die Antwort musste er nicht lange warten. „Das hat eine fantastische Symbolkraft“, gab ihm der Präsident des Zentralrates der Juden zurück, und damit war fest verabredet, dass Rau und Katzav der Einweihungszeremonie der Synagoge an diesem Sonntag ab 14 Uhr beiwohnen werden.

Die Symbolkraft dieses Auftakts ist aus verschiedenen Gründen erheblich. Zum ersten Mal nimmt ein israelisches Staatsoberhaupt an der Einweihung einer Synagoge in Deutschland teil. „Das ist ein Zeichen der Versöhnung“, freut sich Johannes Rau. Denn er hat noch zu gut im Ohr, wie der Vorgänger von Katzav, Eser Weizmann, die in Deutschland lebenden Juden 1996 offen aufgefordert hat, das Land der Täter endlich zu verlassen und nach Israel überzusiedeln. Für seine andere Haltung erhält Katzav ausdrücklich Beifall von Paul Spiegel: „Er hat akzeptiert, dass wir hier leben, und deshalb ist das ein besonderer Akt der Solidarität.“ Dass der Besuch missverstanden werden könnte, glaubt Spiegel nicht. Sein Vorgänger Ignatz Bubis war von Bundestagsabgeordneten der Union noch mit Hinweisen darauf traktiert worden, dass Weizmann ja der Präsident der in Deutschland lebenden Juden sei. „Wer heute noch so denkt, dem ist schon bald nicht mehr zu helfen“, sagt Spiegel.

Er freut sich stattdessen über den Neubau im Wuppertaler Ortsteil Barmen. „Das ist eine der schönsten Synagogen, die nach dem Krieg in Deutschland gebaut worden sind“, strahlt Spiegel, und dann erzählt er davon, dass das Grundstück eine besondere Bedeutung hat. Es wurde von der evangelischen Kirche gestiftet und befindet sich in unmittelbarer Nähe zur historischen Synagoge, die 1938 von den Nazis niedergebrannt worden war.

In der benachbarten evangelischen Kirche Gemarke wurde im Übrigen 1934 die „Barmer Erklärung“ veröffentlicht. Damals wehrten sich Theologen um Karl Barth gegen die Entmündigung der Kirchen. Der von den Nationalsozialisten eingesetzte Reichsbischof Ludwig Müller hatte die Kirchen darauf zu verpflichten versucht, sich ausschließlich um das Seelenheil der Christen zu kümmern. Dem widersprachen die Theologen um Barth ausdrücklich in ihrer „Barmer Erklärung“.

Der Neubau der Synagoge neben dem evangelischen Gotteshaus hat nicht zuletzt deshalb eine besondere Symbolkraft. „Das eröffnet die Chance für das Miteinander von Juden und Christen“, sagt Johannes Rau voraus.

Katzav wird drei Tage in Deutschland sein und nach dem Aufenthalt in Wuppertal auch Gespräche in Berlin führen und die KZ-Gedenkstätte Sachsenhausen besuchen.

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