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Habecks Vertraute, Giffeys Schüler: Diese Grünen könnten auf Lang und Nouripour folgen
Ein Jahr vor der Bundestagswahl stehen die Grünen ohne Parteiführung da. Erste Namen von Nachfolgern kursieren. Wer sind sie und für was stehen sie?
Stand:
Gerade einmal drei Monate ist es her, da wurde Ricarda Lang zur „Aufsteigerin des Jahres“ gekürt. Eine „Schnelldenkerin“ sei sie, würdigte Kanzleramtschef Wolfgang Schmidt (SPD) Lang in seiner Laudatio beim sogenannten „Politik-Award“ und sparte auch sonst nicht mit Lob: „Dass eine so junge Frau so unangefochten zur Parteivorsitzenden wird, ist auch für die Grünen nicht üblich.“
Nun – drei verlorene Landtagswahlen später – hat die Grünen-Vorsitzende spätestens gelernt, wie schnelllebig die Politik auch sein kann. „Es braucht neue Gesichter“, sagt die 30-Jährige am Mittwoch bei ihrer Rücktrittserklärung und ringt mit den Tränen. Doch wer könnten die Gesichter sein, die auf Lang, ihren Co-Vorsitzenden Omid Nouripour und die Politische Geschäftsführerin der Grünen, Emily Büning, folgen könnten? Nur Minuten nach dem Abgang der beiden Parteivorsitzenden kursierten die ersten Namen. Ein Überblick:
Habecks Vertraute
Franziska Brantner wurden schon einmal Ambitionen auf die Parteiführung nachgesagt. Als sich Ende 2021 abzeichnete, dass die Ampel-Koalition zustande kommt und Robert Habeck und Annalena Baerbock in die Ministerien wechseln, tauchte schon bald Brantners Name auf.

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Drei Jahre später gilt die 45-Jährige für viele in der Partei schon beinahe als gesetzt. Brantner bringt vieles mit, was es für den Vorsitz bräuchte. Als Koordinatorin des Realo-Flügels ist sie bestens in der Partei vernetzt, zudem gilt sie als versierte Strategin. Als Parlamentarische Staatssekretärin im Wirtschaftsministerium hat sie sich schwerpunktmäßig um die wichtige Rohstoffstrategie gekümmert und sich dabei – wie man hört – selbst den Respekt von Kanzler Olaf Scholz erarbeitet.
Brantner gilt als enge Vertraute von Habeck, der sie schon vor dem Rückzug des Bundesvorstands als Wahlkampfmanagerin in der Grünen-Parteizentrale platzieren wollte. Nun könnte es für Brantner sogar ins Vorsitzenden-Büro gehen. Doch dort will sie nicht bleiben. Sie liebäugle mittelfristig mit einem Ministerposten, heißt es aus der Partei.
Giffeys Schüler
Der andere Vorsitzenden-Posten, der an den linken Parteiflügel fallen würde, scheint umkämpfter. Hoch gehandelt wird der Neuköllner Abgeordnete Andreas Audretsch. Er ist zwar erst seit 2021 im Bundestag, hat sich dort aber einen hervorragenden fachpolitischen Ruf erarbeitet und ist bereits zum stellvertretenden Fraktionschef aufgestiegen.

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Die wichtigen Themen – vom Heizungsgesetz, über die Kindergrundsicherung oder die Bezahlkarte für Geflüchtete – verhandelt häufig Audretsch für die Fraktion. Flügelübergreifend wird seine Rhetorik, aber auch sein Verhandlungsgeschick gelobt. Als Pressesprecher der früheren Familienministerin Franziska Giffey (SPD) hatte Audretsch eine Lehrmeisterin, die mit allen Wassern gewaschen ist.
Der Ruhrpott-Junge
Bereits einmal wurde Audretsch jedoch von Felix Banaszak ausgestochen – bei der Bewerbung in den Parteirat der Grünen im vergangenen Jahr. Auch dieses Mal könnte der 34-Jährige Parteilinke, der im Bundestag in den wichtigen Wirtschafts- und Haushaltsausschüssen sitzt, die Nase vorn haben. Denn Banaszak hat den mächtigen Landesverband Nordrhein-Westfalen im Rücken.

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Von 2018 bis 2022 führte Banaszak, der aus Duisburg stammt, den Verband und führte die Grünen in NRW mit 18,4 Prozent zu ihrem bislang stärksten Ergebnis. Auch Banaszak gilt als guter Rhetoriker, der etwa einen AfD-Antrag in Form eines Gedichts im Bundestag ins Lächerliche zog. Für ihn spricht auch, dass er wegen seiner bisherigen Arbeit im Bundestag einen engen Draht zu Brantner hat.
Der Landesfürst aus Hessen
Ambitionen hat offenbar ein erfahrener Grünen-Politiker. Tarek Al-Wazir, langjähriger Wirtschaftsminister in Hessen, hat nach Tagesspiegel-Informationen ebenfalls Interesse am Parteivorsitz angemeldet. Für den Realo spricht, dass er bereits viele Wahlkämpfe geführt hat und mit Regierungsarbeit vertraut ist.

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Die Chancen des 53-Jährigen gelten jedoch als gering. Im vergangenen Jahr verloren seine Grünen in Hessen krachend, seitdem hat Al-Wazirs Ruf stark gelitten. Seine Kandidatur für den Bundestag, die er kürzlich bekannt machte, irritierte einige seiner Parteifreunde. Zudem gilt eine Doppel-Realo-Spitze als ausgeschlossen. Eine Sprecherin der hessischen Grünen-Fraktion in Hessen sagte am Nachmittag, Al-Wazir wolle nicht kandidieren.
Der Polizist
Nicht nur die Posten der Parteichefs sind nach dem Rücktritt des gesamten sechsköpfigen Bundesvorstands vakant. Doch einige bisherige Mitglieder wollen offenbar wieder kandidieren. So gilt es als sicher, dass Schatzmeister Frederic Carpenter erneut für den Posten antreten wird. Auch die Beisitzerin Pegah Edalatian könnte erneut kandidieren.

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Mit Emily Büning wird definitiv auch die Politische Geschäftsführerin der Grünen gehen. Auf ihren Posten könnte Heiko Knopf folgen. Er ist bislang stellvertretender Vorsitzender und in dieser Rolle vor allem für den Osten und den ländlichen Raum zuständig. Zwar tritt auch Knopf, der aus Jena stammt, offiziell zurück, doch ihm werden Ambitionen auf Bünings Posten nachgesagt.
Doch die Sache ist nicht entschieden, denn mit Jan-Denis Wulff hat nach Tagesspiegel-Informationen ein weiterer Mann Interesse an einem Posten im neuen Bundesvorstand haben, dem laut Statut aber nur maximal drei Männer angehören dürfen.
Für Wulff spricht, dass er das Thema der Zeit – die innere Sicherheit – als Polizist und Personenschützer beim BKA wie kein anderer Grünen-Politiker repräsentieren würde. Mehrfach hat er sich in den vergangenen Wochen in die Debatte über Migration, Islamismus und Sicherheit eingebracht. Ob Wulff, der bei der Europawahl den Einzug ins Parlament verfehlte, zu den neuen Gesichtern im nächsten Bundesvorstand gehört, wird sich in den nächsten Wochen entscheiden.
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