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Politik: Hart oder herzlich

Die Union streitet, ob sie Schröders Agenda stoppen soll – und Koch legt sich deshalb mit Merkel an

Von Antje Sirleschtov

Man könnte es einen handfesten Krach nennen, den es spätestens seit diesem Wochenende zwischen CDU-Chefin Angela Merkel und dem hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch gibt. Oder vielleicht auch nur eine unterschiedliche Positionsbestimmung. Eine Meinungsverschiedenheit der beiden Unionspolitiker aber auf jeden Fall, wenn es um die Strategie bei den Verhandlungen mit der Bundesregierung geht, die in den kommenden Monaten im Vermittlungsausschuss zwischen Bundesrat und Bundestag anstehen. Für die Zukunft des Landes wird der Ausgang des Dissenses zwischen Merkel und Koch nicht ganz unwichtig sein. Denn im Bundestag hat die rot-grüne Mehrheit ein riesiges Reformpaket verabschiedet, das seine Wirkung erst dann entfalten kann, wenn es die Zustimmung des Bundesrates – und damit der gesamten Union – erhält.

Für Koch ist die Sache klar. Dieses Land, sagt er, sei ein Zug. Vorn in der Lok sitzt im Augenblick eine rot-grüne Lokführercrew. Wenig überraschend sei für die Insassen des Zuges, und damit meint der hessische Ministerpräsident die 80 Millionen Deutschen, dass sich Lokführer Gerhard Schröder und die Union ganz und gar einig sind über das Ziel der Reise. Denn mehr Wirtschaftswachstum und weniger Arbeitslosigkeit hat Schröder den Deutschen versprochen. Und genau das will auch Koch. Mit einem Unterschied: Während Schröder glaubt, der Wirtschaft durch eine vorgezogene Steuerreform neue Wachstumsimpulse verschaffen und Arbeitslosigkeit mit den Hartz-Gesetzen verringern zu können, ist Koch ganz anderer Ansicht. Er sagt, der rot-grüne Weg sei der falsche, er führe „geradewegs ins Tollhaus, genau wie bei der Maut“. Und deshalb dürfe die Union diesen Weg des Kanzlers auch nicht unterstützen. „Wenn uns die Regierung nicht substanziell entgegen kommt“, dann, meint der Hesse, müsse man auch den Mut haben, den Zug zu stoppen. Was so viel heißen soll wie: Bevor die Union im Vermittlungsausschuss Gesetzen zustimmt, die sie zu „Helfershelfern linker Politik“ macht, lehnt sie lieber jegliche Reformen ab.

Für Merkel kommt eine solche Strategie nicht in Frage. Auch Merkel gefällt weder die Tatsache, dass der Zug von einem Sozialdemokraten gelenkt wird noch wohin er fährt. Doch im Gegensatz zu Koch will Merkel den Lokführer nicht auf offener Strecke zum Absprung bewegen. Verhandeln will sie deshalb in diesem Winter, um die Hartz-Gesetze genauso wie um den Kündigungsschutz, betriebliche Bündnisse für Arbeit und Gewerbesteuern für Selbstständige. Denn: „Wir werden uns an Flickschusterei nicht beteiligen.“

Wie der Streit ausgehen wird, ist unklar. Zu viele Unwägbarkeiten gibt es noch. Nur eine davon, und das ist nicht die unwichtigste, hat Merkel am Sonnabend beim Deutschlandtreffen der Jungen Union in Cottbus benannt: Es geht dabei um die Frage, welche Vorteile jedes einzelne Reformgesetz – sei es in den Augen der Union auch noch so unvollkommen – für die Bundesländer bringt. Und damit um die Frage, ob die Unions-Ministerpräsidenten im entscheidenden Augenblick eher zum Merkelschen Konsens („Wir haben die Aufgabe, Schlimmeres zu verhindern“) oder zur Kochschen Hartleibigkeit („Wir dürfen unsere Identität nicht bis zur Unkenntlichkeit verstümmeln“) neigen werden. Eines sieht die Parteichefin dabei sehr genau:  Wenn sich die Unions-Ministerpräsidenten in Sachfragen zwischen ihrem Parteibuch und den Landesinteressen entscheiden müssen, sagte sie, „dann fällt ihr Votum meistens für das Land aus“. 

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