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Am Ende ihrer gemeinsamen Etatpolitik: Finanzminister Christian Lindner, Wirtschaftsminister Robert Habeck und Bundeskanzler Olaf Scholz (von links).

© dpa/Kay Nietfeld

Haushaltspolitik als Offenbarungseid: Die fortgesetzt leichtfertige Art der Ampel

Der Sommerstreit um die Restlücke im Etat war nur der letzte Teil einer Serie. Die Koalition war von Anfang an etatpolitisch ohne gemeinsame Richtschnur.

Albert Funk
Ein Kommentar von Albert Funk

Stand:

Uff, könnte man nun sagen. Die Ampelkoalition hat ihren Haushaltsstreit beendet, mit dem sie seit vier Wochen das Sommerloch füllt. Seit dem Kabinettsbeschluss des nicht ganz fertigen Regierungsentwurfs für den Bundeshaushalt 2025 am 17. Juli war es darum gegangen, eine Restlücke zu schließen.

Nun ist sie gefüllt. Der Entwurf kann, wie vorgesehen, dem Bundestag zugeleitet werden, auf dass die Beratungen im Parlament pünktlich in der ersten Sitzungswoche im September beginnen können. Und auch die Frist, die der Bundesrat zur Stellungnahme hat, wird eingehalten.

Man kann das Ergebnis und seinen Vorlauf allerdings auch mit einem „ojemine“ kommentieren. Und muss das auch. Denn Formalien sind das eine. Der Inhalt einer Vereinbarung ist das andere. Und der gibt zu denken.

Donnerschlag aus Karlsruhe

Wie überhaupt das ganze Aufstellungsverfahren zu diesem Etat zu denken gegeben hat. Und das galt schon für den Etat des Vorjahres.

Unvergessen ist zudem, dass das Bundesverfassungsgericht im vorigen November der Koalition ein Urteil vorgesetzt hat, das SPD, Grünen und FDP kurz und bündig und mit schmerzhaften Folgen massive haushaltspolitische Verfehlungen attestierte. Die bezogen sich auf das allererste Haushaltsgesetz der Ampel, den Nachtragsetat für 2021. Durch den wurde die Verfassung verletzt, weil Notfallkredite zweckwidrig umgewidmet worden waren.

Sehenden Auges im Übrigen, weil namhafte Juristen das vorher schon kritisch beäugt hatten. Wie auch die schräge Finanzierung des Wirtschaftsstabilisierungsfonds über eine eigenwillige Anleihenkonstruktion, die auf eine Verschuldung des Bundes bei sich selbst hinauslief.

Zulässig mit Augenmaß

Auch das Sondervermögen Bundeswehr, das Finanzminister Christian Lindner erfand und das die Union mitgetragen hat, ist keineswegs über alle Zweifel erhaben, zumindest im Haushaltsvollzug.

Und nun genehmigt sich die Koalition eine Globale Minderausgabe, die so groß ist wie nie zuvor. Das Mittel der „GMA“ ist an sich sauber, wenn damit geringe Differenzen zwischen etwas zu hohen Ausgabeplänen mit zu geringen Einnahmeschätzungen zum Ausgleich gebracht werden. Man geht dann einfach von der Erfahrung aus, dass meist nicht alle Mittel abfließen, was pauschal schon mal vorab im Etat berücksichtigt wird. Ein Kniff, der akzeptabel ist, wenn er tatsächlich eine echte Restlücke deckt.

Aber das nun vereinbarte Ausmaß ist, gemessen an den bisherigen Etats des Bundes, nicht gering. Auch hier haben Verfassungsrechtler schon Bedenken geäußert. Das Gutachten zu den Maßnahmen, welche vor allem das Kanzleramt zum Füllen der Restlücke gemacht hat, fiel zudem keineswegs so eindeutig aus, wie Kanzler Olaf Scholz es vorige Woche mit seinem „Das geht“ glauben machen wollte.

Von Anfang an Zweifel

Kurzum: Die Haushaltspolitik der Ampel war von Anfang an mit Zweifeln behaftet, und sie verschwinden einfach nicht. Sie können auch nicht mit Machtworten hinweggefegt werden – oder mit der Aufforderung, man könne ja entlassen werden (wenn stimmt, dass Lindner das dem Kanzler im Eifer des Gefechts gesagt haben soll).

Woran krankt die Haushaltspolitik von SPD, Grünen und FDP? Es ist wohl zweierlei. Da gibt es den im Koalitionsvertrag nicht gelösten Basiskonflikt zwischen Rot-Grün einerseits, der FDP andererseits um die Zukunft der Schuldenbremse. Das führte zu Kompromissen, die den einen nicht reichen, den anderen zu weit gehen.   

Zweitens aber geriet zunehmend der persönliche Konflikt zwischen Scholz und Lindner in den Mittelpunkt. Der Finanzminister hat ihn vor zwei Wochen im ZDF-Sommerinterview recht deutlich offenbart. Und dieser Konflikt scheint mittlerweile doch tiefer zu sein als gut ist in einer Regierung.

Der Kanzler und seine SPD (auch die Grünen) wollten mit der Haushaltspolitik der leichten Hand, die Scholz selbst als Finanzminister vor 2021 begonnen hatte, fortfahren. Scholz wollte weiterhin testen, wie weit man gehen kann mit findigen Etatkonstruktionen. Lindner ging anfangs mit, dann aber wurde ihm schwummrig. Er stellte sich zunehmend quer.

Und damit begann die Selbstblockade innerhalb der Ampelkoalition, die in den Sommerstreit um eine Kleinigkeit führte. Im Kern ging es stets um die Schuldenbremse und deren Ausgestaltung. Da gab es nie einen grünen Zweig.

Wie verteilt sich nun die Schuld? Zum Streiten gehören bekanntlich zwei und in der Ampel drei. Lindner hatte zuletzt ganz gute Argumente, das muss man ihm lassen, auch wenn sein Auftreten ihn immer wieder als den Problembären erscheinen lässt. Scholz ist es nicht gelungen, früh im Verfahren einen Ausgleich zwischen den unterschiedlichen Interessen zu schaffen. Was man von einem Regierungschef erwarten darf. Und die Grünen um Vizekanzler Robert Habeck lümmeln sich als vermeintlich Unbeteiligte.

Haushaltspolitik ist wie keine andere politische Disziplin die Kunst des Kompromisses, des Ausgleichs, des pragmatischen Miteinanders, aber auch die Kunst der verfassungsrechtlich fundierten Solidität. Gerade in schwierigen Zeiten, und die hatte die Ampel weiß Gott, ist sie gefordert. Diese Kunst aber beherrscht diese Koalition zu wenig. Am fortgesetzt leichtfertigen Umgang mit ihren Etats lässt sich das bis in alle Ewigkeit ablesen.

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